Seite 54 - personalmagazin_2012_05

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„Nicht alles ist erfüllbar“
INTERVIEW. Die Zeichen in der Personalvermittlung stehen auf Wachstum. Doch
es gibt den Fachkräftemangel und neue Vorschriften. Eine Markteinschätzung.
personalmagazin:
Die BPV-Mitgliederbe-
fragung hat für 2011 eine Umsatzstei-
gerung in der Personalvermittlung von
25 Prozent ergeben. Wie stark macht
sich der Fachkräftemangel in Ihrem
Tätigkeitsbereich bemerkbar?
Heinz Ostermann:
Es liegen definitiv mehr
Aufträge vor als wir erfüllen können.
Diese müssen nach Prioritäten – also
nach machbaren Vermittlungen –
sortiert werden, um nicht sehr viel Zeit
und Geld zu investieren und am Ende
doch nicht die passenden Kandidaten
zu finden.
personalmagazin:
Heißt das, dass Sie auch
Aufträge ablehnen?
Thomas Schonscheck:
Geht es um Fälle,
in denen ein Kunde realitätsfremde
Profile fordert, sagen wir, wir werden
es einmal versuchen, aber nicht mit
Nachdruck. Vielmehr raten wir dem
Kunden, das Profil zu überarbeiten und
es realitätsnah zu gestalten. Wir haben
festgestellt, dass Kunden den Fachkräf-
temangel zwar realisieren, in ihrem
Gehaltsniveau aber nicht nachziehen.
Sie wundern sich dann, dass sie für das
angebotene Gehalt niemanden finden.
personalmagazin:
Inwiefern können Fach-
kräfte aus dem Ausland dazu beitragen,
die Lücke zu schließen? Seit knapp
einem Jahr gilt die Arbeitnehmerfreizü-
gigkeit in Europa.
Ostermann:
Was alle Statistiken zeigen,
können wir aus der Praxis bestäti-
gen: Der große Zuzug von Fach- und
Führungskräften aus dem Ausland hat
auch nach dem 1. Mai 2011 nicht statt-
gefunden. Die hauptsächlichen Gründe
sind die sprachlichen Hemmnisse.
Für junge Tschechen und Polen ist es
einfach attraktiver, perfekt Englisch zu
lernen, weil sich damit die beruflichen
Chancen deutlich erweitern. Und es
gibt nur wenige deutsche Unterneh-
men, die Englisch als Konzernsprache
haben. Die Abschottung des deutschen
Arbeitsmarkts im Zuge der EU-
Osterweiterung war ein Eigentor. Nun
sind die Personalberater gefragt, den
Kunden Themen wie Relocation und
Integration ans Herz zu legen.
personalmagazin:
Heißt das, dass Perso-
nalvermittler immer mehr zu Beratern
werden?
Schonscheck:
Ja. Den allermeisten Unter-
nehmen ist es nicht präsent, dass eine
Krankenschwester, die am Abend am
Stuttgarter Flughafen ankommt, nicht
in ein Hotel gehen kann, bis sie eine
Wohnung gefunden hat. Unternehmen
müssen lernen, wie sie bei Umzügen
und Behördengängen unterstützen. Und
hierbei müssen oft die Personalver-
mittler aktiv werden und ihre Kunden
darauf hinweisen, dass eine solche
Einrichtung auch einen Unterschied im
Wettbewerb um die talentierten Ingeni-
eure bedeuten kann.
personalmagazin:
Können Sie ein Beispiel
nennen?
Ostermann:
Eine Berufsgruppe, in der
hierzulande kaum noch Fachkräfte zu
finden sind, sind die Laminierer. Es gibt
polnische Laminierer, die gut Englisch
sprechen – oder eben Polnisch. Für die-
se gilt es zusammen mit dem Kunden
ein Arbeitssystem mit deutschspra-
chigen Vorarbeitern und Schichtleitern
zu finden, die das Thema Führung in
die Hand nehmen. Und das Unterneh-
men akzeptiert, dass die Arbeitsgruppe
ansonsten nur polnisch spricht. Das
muss der Vermittler mit dem Kunden
diskutieren und gemeinsame Lösungs-
ansätze finden.
personalmagazin:
Gibt es bei der Beschäf-
tigung ausländischer Fachkräfte auch
Verbesserungen?
Ostermann:
Was besser wird, ist die Aner-
kennung ausländischer Zeugnisse oder
Qualifikationsnachweise. Mittlerweile
gibt es eine gute Einrichtung, die vom
personalmagazin 05 / 12
ist Vorstandsvorsitzender des Bundes-
verbands Personalvermittlung e.V. und
Product Line Director der Manpower-
Group.
Thomas Schonscheck
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
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