Seite 32 - personalmagazin_2012_05

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„Vier Gründe für hohes Gehalt“
INTERVIEW. Vergütung muss marktgerecht sein und auch motivieren. Ob Top-
Managementgehälter diese Kriterien erfüllen, diskutiert Professor Dirk Sliwka.
personalmagazin:
Der Zusammenhang
zwischen Geld und Motivation wird oft
bestritten. Was sagt die Forschung?
Dirk Sliwka:
Der Begriff „Motivation“ ist
nicht präzise abgegrenzt. Darum muss
man die Wirkungen auseinanderhalten:
Nahezu alle Evidenz spricht dafür, dass
Geld Menschen dazu bringen kann,
ihre Handlungen anders auszurichten
– und das, wenn das Anreizsystem gut
gestaltet ist, durchaus auch stärker
an den Zielen des Unternehmens. Das
heißt aber nicht automatisch, dass Mit-
arbeiter dann ihre Aufgaben von sich
aus lieber ausführen.
personalmagazin:
Die Debatte um hohe
Managergehälter hat sich gerade an den
17 Millionen Euro für VW-Chef Martin
Winterkorn neu entfacht. Ist eine derart
hohe Summe noch ein Anreiz oder gibt
es hier eine Obergrenze?
Sliwka:
Die Begründung für hohe Mana-
gergehälter ist in erster Linie nicht das
Setzen von Anreizen, sondern Rekrutie-
rung und Bindung. Das Talent, Betriebe
gut zu führen, ist knapp, und hohe
Gehälter können durchaus ein Ergebnis
von Angebot und Nachfrage nach knap-
pen Managementtalenten sein.
personalmagazin:
Sind denn 17 Millionen
Euro noch marktgerecht?
Sliwka:
VW hat gerade einen Rekordge-
winn ausgewiesen, die Performance
scheint also zu stimmen. Die Höhe
ist ökonomisch generell dann eher
angemessen, wenn sie ein Marktergeb-
nis ist. Das heißt, wenn Unternehmen
verhindern, dass fähige Top-Manager
in andere Unternehmen wechseln.
Zudem geht ein höheres Gehalt für
einen Manager ja nicht auf Kosten der
Gehälter der Arbeitnehmer – sondern
reduziert den Gewinn der Aktionäre
– und der war ja bei VW erheblich. In
der öffentlichen Diskussion wird dieses
Argument oft vernachlässigt.
personalmagazin:
Welche Rolle spielt die
Gerechtigkeit in der Vergütung?
Sliwka:
Sie spielt eine sehr große Rolle.
Insbesondere dann, wenn sich die
Mitarbeiter untereinander vergleichen
können. Mittlerweile gibt es dafür zahl-
reiche Belege. Wenn ein Mitarbeiter
erfährt, dass er weniger als der Durch-
schnitt seiner Kollegen in der gleichen
Funktion verdient, reduziert sich seine
Zufriedenheit und Motivation sub-
stanziell. Je weiter die Vergleichsperson
von der eigenen Tätigkeit entfernt ist,
desto weniger stark ist dieser Effekt
jedoch vermutlich ausgeprägt.
personalmagazin:
Gerecht erscheint vie-
len, die Gehälter zu deckeln. Ist das aus
wissenschaftlicher Sicht eine gute Idee?
Sliwka:
Eine Gefahr ist dann natürlich,
dass Unternehmen sehr gute Leute
verlieren können, die in andere Länder
abwandern. In Bereichen, in denen
dieser Wettbewerb nicht vorherrscht,
wäre der Effekt wahrscheinlich nicht so
dramatisch, wie er manchmal darge-
stellt wird. Der Wettbewerb um die gu-
ten Köpfe nimmt aber global zu. Dann
ist die Deckelung keine clevere Lösung,
da sie Marktprozesse behindert und
Wettbewerbsnachteile schafft. Wesent-
lich sinnvoller wäre, die Progression
der Einkommenssteuer zu erhöhen oder
Top-Verdiener stärker an den Sozialver-
sicherungskosten zu beteiligen.
personalmagazin:
Es gibt also drei Gründe
für hohe Gehälter: Mitarbeiterbindung,
Marktgerechtigkeit, Leistungsanreiz.
Sliwka:
Einen weiteren gibt es noch:
Wenn sich die Gehälter frei im Markt
entwickeln können, kommen tenden-
ziell eher die stärksten Talente an
Positionen, wo sie den größtmöglichen
Einfluss auf den Wohlstand von Un-
ternehmen und somit der Gesellschaft
insgesamt entfalten können.
ist Lehrstuhlinhaber für ABWL und Per-
sonalwirtschaftslehre an der Universität
zu Köln. Anreizsysteme zählen zu seinen
Forschungsschwerpunkten.
Prof. Dr. Dirk Sliwka
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personalmagazin 05 / 12
Das Interview führte
Kristina Enderle da Silva.
COMPENSATION MANAGEMENT
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SERIE: TALENTMANAGEMENT