Wirtschaft und Weiterbildung 10/2016 - page 20

titelthema
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wirtschaft + weiterbildung
10_2016
• Dann folgt die Phase des „Hineinspü­
rens“, in der sich alle mit dem „sozi­
alen Feld“ verbinden, eintauchen und
die Situation aus dem Ganzen heraus
betrachten. So soll eine „Öffnung des
Fühlens“ erreicht werden.
• Es folgt eine Phase des „Loslassens“
zur „Öffnung des Willens“.
• Bildlich unten im „U“ angekommen,
soll man sich am „inneren Ort der
Stille“ im Prozess des „Presencings“
(aus „presence“=Anwesenheit und
„sensing“=fühlen) fragen, wer man
wirklich ist und worin die eigene Auf­
gabe besteht.
• Es folgt die Phase des „Kommen­
lassens“, in der man mit der „inneren
Quelle“ verbunden sein sollte.
• Durch eine erneute „Öffnung des Füh­
lens“ sollen danach in einer Phase des
„Verdichtens“ die Visionen, die aus
diesem „tieferen Quellort“ entstanden
sind, kristallisiert werden.
• Danach soll durch eine erneute „Öff­
nung des Denkens“ die Zukunft durch
praktisches Tun gemeinsam erkundet
und entwickelt werden.
• In der letzten Phase des „Performings“
soll das „Neue“ durch eine Verände­
rung der Alltagspraktiken „in Form“
gebracht werden.
Durch die „Theorie U“ entsteht laut
Scharmer eine „neue Feldqualität des
gemeinsamen Denkens, Sprechens und
Handelns“. Gruppen und Individuen
würden gleichermaßen dazu gebracht,
sich mit ihrer „höchsten Möglichkeit“ zu
verbinden. Der Prozess führe zu einem
„erhöhten Maß an individueller Energie
und Bewusstheit“, zu einem „höheren
Grad authentischer Präsenz“ und zu
einer „klareren Richtung und tieferen und
nachhaltigeren persönlichen und organi­
sationalen Veränderung und zu erstaun­
lichen Innovationen“. Je größer die Wert­
schätzung, mit der sich die Beteiligten am
Prozess begegneten, umso größer sei das
Geschenk, das einem aus diesen Begeg­
nungen zuteil werde.
„Die Bremsen lösen, um die
Evolution mitzugestalten“
Der Neurobiologe Prof. Dr. Gerald Hüther
lobt die „Theorie U“, weil sie deutlich
mache, dass die heute lebenden Men­
schen die erste Generation seien, die ihre
mentalen Modelle durch gehirngerechtes
Lernen nachhaltig verändern könnten.
„Nach meiner Meinung liegt die Leistung
Scharmers darin, dass er die Phase des
Presencings hervorhebt. So gibt er den
Menschen Gelegenheit, sich als Ganzes
zu entdecken.“
Die große Errungenschaft der „Theorie
U“ sei, dass wir im Presencing über die
Einheit von Denken und Fühlen reden
könnten und die Vorteile dieser Einheit
verstehen lernten. Scharmer ergänzt:
„Wir sind wahrscheinlich die erste Gene­
ration, die eine Bewusstheit darüber er­
langt, welche Rolle wir innerhalb des evo­
lutionären Prozesses spielen.“ Wenn wir
uns auf diesen Weg machten, dann sähen
wir eine ständige Zunahme von „Mög­
lichkeitsräumen“. Da wir alle aus einem
hierarchischen System kämen, hätten wir
gelernt, andere Menschen als Objekte zu
behandeln. Solange Menschen aber wie
Objekte behandelt würden, könnten sie
ihre Potenziale nicht entfalten und wür­
den sich auch nicht vernetzen. Und Hüt­
her ist sich sicher: „Wir müssen nicht viel
tun, um an diesem Prozess der Evolution
teilzunehmen, wir müssen nur die Brem­
sen lösen, die uns daran hindern.“
04.
Wie und wo zeigte sich einmal
ein echter
Abgrund
in Ihrem
Leben?
05.
Was wird in den nächsten
zehn Jahren
nach Ihrer
Überzeugung passieren?
06.
Was würden Sie gerne
sofort
tun,
um einen Schritt nach vorn
zu machen?
werbsvorteile erarbeitet. Organisationales
Lernen besteht laut Senge zum Beispiel
aus kollektiven Reflexionsschleifen, um
Arbeitsverfahren oder Entscheidungspro­
zesse regelmäßig zu überdenken.
Nachdem das Konzept der „Lernenden
Organisation“ lange Zeit als der popu­
lärste Weg zur erfolgreichen Gestaltung
von Veränderungsprojekten in Organisati­
onen galt, konnte man ab dem Jahr 2007
beobachten, dass sich Organisationsent­
wickler und Berater immer mehr für die
„Theorie U“ von Carl Otto Scharmer zu
interessieren begannen. Scharmer veröf­
fentlichte damals das Buch „Theory U.
Leading From the Future as it Emerges.
The Social Technology of Presencing“. Im
Jahr 2009 erschien das Buch auf Deutsch
unter dem Titel “Theorie U – von der Zu­
kunft her führen” im Carl-Auer Verlag in
Heidelberg.
Das Phasenmodell von
Scharmers „Theorie U“
Bei der „Theorie U“ handelt es sich um
ein Phasenmodell, mit dem ein „ge­
wünschter Zustand“ erreicht werden soll.
Dieser „gewünschte Zustand“ ergibt sich
aber meist erst, indem man im Rahmen
eines Veränderungsprozesses die Phasen
der „Theorie“ durchläuft:
• Die erste Phase ist die Phase des
„Downloadings“. Die Welt wird noch
mit den „Augen des gewohnheitsmä­
ßigen Denkens“ gesehen.
• Dann schließt sich die Phase des „Hin­
schauens“ an, in der die „mitgebrach­
ten Urteile“ losgelassen werden sollen
und ein frischer Blick auf die „Reali­
tät“ geworfen werden soll. Es gehe, so
Scharmer, in dieser Phase um die „Öff­
nung des Denkens“.
R
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