Seite 48 - wirtschaft_und_weiterbildung_2015_02

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training und coaching
48
wirtschaft + weiterbildung
02_2015
tragende Unternehmen die Kosten über-
nimmt und Informationen über den Ver-
lauf des Coachings wünscht. Wenn diese
Wünsche in der Vereinbarung mit dem
Klienten nicht sichtbar werden, dann be-
findet sich der Coach im Dilemma:
• Schützt er den Klienten vor der Neu-
gierde des Unternehmens, dann belas-
tet dies möglicherweise das Verhältnis
zum Auftraggeber nachhaltig.
• Gibt der Coach dem Drängen des Un-
ternehmens nach und plaudert aus
dem Nähkästchen des Coaching-Pro-
zesses, so zerstört er das Vertrauens-
verhältnis zum Klienten.
Aus einer Metaposition heraus betrachtet,
lassen sich Unternehmen und Organisa-
tionen als Kommunikations- und Hand-
lungssysteme zur Erreichung vereinbarter
Ziele beschreiben. Die Existenz divergen-
ter Interessen ist dabei eingeschlossen.
Wenn in einem Coaching-Prozess zwei
Arten von Kunden, nämlich Auftragge-
ber und Klienten, gegeben sind, gilt es,
zwei verschiedene Verträge und die Art,
wie diese verknüpft werden, auszuhan-
deln. Ein Beispiel: Ein global operieren-
des Unternehmen ist auf Grundlagen-
forschung, die der Produktentwicklung
vorangeschaltet ist, angewiesen. Hierfür
stehen hoch qualifizierte Akademiker zur
Verfügung. Traditionell war diese For-
schung in den einzelnen Geschäftsfeldern
angesiedelt. Aufgrund einer strategischen
Entscheidung soll die Holding gestärkt
und teure Parallelstrukturen abgebaut
werden. Diese einzelnen Forschungsak-
tivitäten sollen nun in der Holding zu-
sammen geführt werden. In der Folge
müssen die einzelnen Geschäftsfelder
funktionierende Forschungsteams auflö-
sen und einen attraktiven Teil an die Hol-
ding abgeben. Es ist leicht nachzuvollzie-
hen, dass es hierfür von den einzelnen
Geschäftsfeldleitern wenig Beifall gibt,
denn sie verlieren damit Einflussmöglich-
keiten, die Forschungspolitik nach ihren
Geschäftsprioritäten zu beeinflussen.
Der neu ernannte Leiter der Forschung,
ein promovierter Physiker, der das neue
Forschungsteam in der Zentrale zu for-
men hat, soll durch einen erfahrenen
Coach unterstützt werden. Besseres Zeit-
Eines muss vorweg gesagt werden:
Beichtväter, Priester, Rechtsanwälte und
psychologische Psychotherapeuten sind
zum Schweigen verpflichtet. Dies gilt
auch im Rahmen von Gerichtsverhand-
lungen. Formal gilt dies aber nicht für
Business-Coachs. Sie mögen zwar even-
tuell psychologische Psychotherapeuten
sein, aber die relevanten Informationen
werden ihnen nicht im Rahmen einer
Psychotherapie anvertraut. Das Thema
„Diskretion im Coaching-Prozess“ muss
daher prinzipiell extra geklärt werden,
denn es geht um ein Vertrauensverhältnis
zwischen Coach und Klienten. Vertrauen
ist eine Entscheidung, um eine Hürde zu
überwinden. Mit der Entscheidung, je-
mandem zu vertrauen, wird Unsicherheit,
in Anbetracht fehlender Information,
überwunden, gleichzeitig erhöht sich das
Risiko, enttäuscht zu werden. Dies ist der
Grund, warum Vertrauensmissbrauch nur
mit erheblichem Aufwand korrigiert wer-
den kann.
Vertraulichkeit ist eine explizite oder im-
plizite Vereinbarung von zwei oder meh-
reren Partnern, wie mit Informationen
zu verfahren ist. Es wird eine spezifische
Klasse an Informationen (nämlich: die
vertraulichen Informationen) gebildet.
Erfolgt die Honorierung durch den Coa-
ching-Klienten direkt, gestaltet sich die
Lage eindeutig: Man vereinbart mit dem
Coach strengste Verschwiegenheit. Ein
Zuwiderhandeln kann dann rechtliche
Auseinandersetzungen mit sich bringen.
Es entsteht kein Dilemma für den Coach.
Dieses kann erst entstehen, wenn ein
Dritter ins Spiel kommt – zum Beispiel
im Business-Coaching, wenn das beauf-
Ein Coach muss verschwiegen
sein, aber …
COACHING-PRAXIS.
„Zwischen Vertraulichkeit und Firmeninteressen“ – so lautet das
Motto des 2. Coaching-Kongresses, den die Hochschule für angewandtes Management
(HAM) in Erding Ende März veranstalten wird. Als Keynote-Speaker wird der Business-
Coach Dr. Walter Schwertl auftreten. In diesem Fachartikel beschreibt er, wie ein Coach
die „Klippe der Vertraulichket“ meistern kann.
Dr. Walter
Schwertl
ist geschäftsfüh-
render Inhaber
der Schwertl &
Partner Beratergruppe in Offenbach
am Main, die Unternehmen mit Coa-
ching-Angeboten und mit der Beglei-
tung von Veränderungsprozessen
unterstützt. Der promovierte Psycho-
loge ist Senior Coach DBVC und Autor
des Buchs „Business-Coaching. Der
Coach als Mountain Guide und Hof-
narr“, das 2009 im VS Verlag für Sozi-
alwissenschaften erschien.
Schwertl & Partner Beratergruppe
Frankfurt GbR
Dr. Walter Schwertl
Bernardstraße 112
63067 Offenbach
Tel. 069 9055999-0
AUTOR
Foto: Sascha Erdmann