Seite 14 - wirtschaft_und_weiterbildung_2015_02

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14
wirtschaft + weiterbildung
02_2015
PORTRAIT.
Nachdem der ehemalige US-Aktienhändler
Jordan Belfort viele seiner Kunden um ihr Geld erleich-
tert hat, zieht er durch die Lande und verkündet seine
Verkaufsstrategie. In der Frankfurter Festhalle hat der
Motivationsguru, dessen Leben Hollywood zum Film
„Wolf of Wall Street“ inspirierte, Ende vergangenen
Jahres den Nachwuchsbänkern der Main-Metropole sein
„Straight-Line“-System eingepaukt – und ihnen dabei vor
allem eine Lektion in Sachen Selbstdarstellung erteilt.
Dreifaltig tritt Jordan Belfort an diesem Abend vor seine Jün-
ger: Er erscheint gleich auf drei Leinwänden überlebensgroß
an den Bühnenwänden der Frankfurter Festhalle. Das ist auch
nötig, denn aus den Weiten des gut gefüllten Saals ist der
kleine Mann, der da auf die Bühne turnt, nur mehr schwer
auszumachen. Er joggt in die Bühnenmitte, klatscht motivie-
rend in die Hände – möglicherweise applaudiert er sich selbst.
Sein Publikum antwortet ihm mit Standing Ovations. Nach
einer Weile bedeutet er seinen Fans, sich zu setzen.
Die zahlreichen Zuschauer, die meisten von ihnen im Busi-
ness-Outfit, sind in die Frankfurter Festhalle gepilgert, um von
dem vorbestraften Börsenmakler und Neu-Motivationsguru zu
lernen, wie man verkauft – und zwar egal was, egal an wen.
Wichtig dabei ist: möglichst viel Profit machen. Darauf schwört
der US-Amerikaner, dessen Memoiren die Vorlage für den Film
„The Wolf of Wall Street“ bildeten, das Publikum gleich zu
Anfang ein: „Wer will mehr verdienen?“, ruft er in den Saal.
Begeisterter Jubel beantwortet seine Frage.
Geld ist in Belforts Welt viel mehr als nur Mittel zum Zweck:
„Geld bedeutet Freiheit“, so seine Überzeugung, und noch
mehr: „Geld ist wie Sauerstoff“. Denkt er an den schnöden
Mammon, wird der wilde Wolf ganz sanft: „I love money.“
Das spiegeln auch seine Gagen wider: Für seine Beraterdienste
berechnet er nach eigenen Angaben 100.000 US-Dollar am Tag.
Bei seinem Vortrag soll aber auch das Publikum auf seine Ko-
sten kommen: „Ich will, dass heute Abend alle nach Hause
gehen und sagen, sie hätten zehn Mal so viel gezahlt“,
wünscht sich Belfort. Damit dies gelingt, gibt der „echte Wolf
der Wall Street“ seinen Zuhörern gleich von Anfang das Ge-
fühl, zu einem exklusiven Kreis von Auserwählten zu gehören,
die sich durch ihren Willen, reich zu werden, zu Höherem
empfohlen haben. Dafür stellt er eine krude Typentheorie auf:
Es gebe zwei Arten von Menschen – die sogenannten „Enten“
und die sogenannten „Adler“. Die „verdammten Enten“ mit
ihrer „entenmäßigen Mentalität“ wollten die Wahrheit nicht
hören. Sie fänden immer Gründe, Dinge nicht zu tun, passiv zu
bleiben. Die Adler hingegen sind Belforts Theorie zufolge die
aktiven, risikofreudigen, erfolgreichen Typen – so wie er.
Sogleich traut sich Belfort in der Börsenmetropole eine Ferndia-
gnose in Sachen Persönlichkeitsmerkmalen zu: „In diesem Saal
ist nicht eine einzige Ente!“, verkündet er. Schließlich seien die
Leute heute hergekommen und hätten dafür bezahlt, ihn zu
erleben, so Belforts bestechende Logik. Im Herzen seien also
alle Anwesenden Adler, auch wenn man manchen vielleicht
die Schwingen gestutzt habe und sie in ihren Aktivitäten an-
fangs eher einer Ente glichen. Aber es gibt Hoffnung: Denn es
sei möglich, dem „verdammten“ Ententeich zu entkommen.
Belfort spricht aus eigener Erfahrung: Er hat sich ebenfalls aus
kleinen Verhältnissen hochgearbeitet. Im Hollywood-Film wird
dem Belfort-Darsteller Leonardo DiCaprio an seinem ersten
Arbeitstag an der Wall Street gesagt, er sei „pond scum“ – zu
deutsch: „Teich-Schlacke“ oder „-Abschaum“ – also so ziem-
Foto: Success Resources UK Ltd
Der Adler im
Wolfspelz