Seite 32 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_02

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personal- und organisationsentwicklung
32
wirtschaft + weiterbildung
02_2014
R
müssen die richtigen Mitarbeiter finden
und einstellen sowie deren Wissensstand
immer aktuell halten.
Lange herrschte in westlichen Ländern
die Angst, dass die weitergebildeten Mit-
arbeiter in China ihr Know-how schnell
weitergeben – Stichwort „kopieren“ …
Niggemann:
Das ist auch ein Thema
für uns. Man muss aufpassen, welches
Know-how man wohin gibt. Generell sind
die Mitarbeiter in China auch wechsel-
williger als in Deutschland. Sie nehmen
schneller ein Angebot mit höherem Ge-
halt an. Dem kann man nur entgegenwir-
ken, wenn man die Mitarbeiter emotional
an das Unternehmen bindet. Mit unserer
Akademie wollen wir genau das errei-
chen, indem wir den Mitarbeitern Pers-
pektiven bieten. Wir liegen in China zwar
weit über der deutschen Fluktuations-
quote, aber auch weit unter der durch-
schnittlichen Quote in China. Zudem
kann man nicht das gesamte Know-how
unter Verschluss halten. Als Premiuman-
bieter streben wir eine sehr hohe Innova-
tionskraft an. Und um das zu realisieren,
müssen wir immer schneller innovieren,
als andere kopieren können. Es hat kei-
nen Zweck sich dabei sozial abzuschot-
ten. Wir sind auf die Impulse von außen
angewiesen.
Welche weiteren Herausforderungen sind
mit dem Akademieaufbau verbunden?
Niggemann:
Die größte Herausforderung
liegt darin, dass das deutsche Bildungs-
system in China nicht bekannt ist und die
Einstellung zum Lernen eine andere ist.
Wir wollen mit unserer Aus- und Wei-
terbildung eine hohe Handlungskompe-
tenz aufbauen. Die erlangt man aber nur,
wenn man theoretisches Wissen in der
Praxis ausprobieren darf und dabei auch
Fehler erlaubt sind. Bisher ist in China
aber eher das reine Lernen und Wieder-
geben gefragt und weniger das selbststän-
dige Anwenden des Wissens. Wir müssen
also erst noch viel Überzeugungsarbeit
leisten und für unsere Lernphilosophie
werben – bei Schülern und Lehrern.
Wie ist das Angebot der Weidmüller
Academy Asia aufgebaut?
Niggemann:
Wir haben einerseits die
Bereiche Ausbildung und Hochschulen
eingerichtet, andererseits betreiben wir
Produktschulungen im Trainingscenter
und bieten Weiterbildungen über die
Personalentwicklung an. Zudem nutzen
wir die Strukturen der Akademie auch,
um unsere Netzwerke zu Hochschulen,
Schulen, anderen Unternehmen und Ins­
titutionen wie der Deutschen Außenhan-
delskammer wie auch zu regionalen In-
itiativen zu stärken. Die grundlegenden
Strukturen haben wir vom deutschen
Headquarter aus vorgegeben. Darum sind
die Angebote ähnlich aufgebaut. Schließ-
lich sind unsere Bedürfnisse im Personal-
management in China auch so ähnlich
wie in Deutschland. Es ist zum Beispiel
genauso wichtig, gut qualifizierten Nach-
wuchs im Ingenieurbereich zu haben.
Das heißt, auch in China spielt der demo-
grafische Wandel und der damit einher-
gehende Fachkräftemangel eine Rolle?
Niggemann:
Ja, der demografische Wan-
del existiert dort ebenso. Wir brauchen
vor allem Nachwuchs für die Entwick-
lungs- und Ingenieurbereiche. Hoch-
qualifizierte Facharbeiter sind auch in
China sehr gesucht. Darum haben wir in
Zusammenarbeit mit der Außenhandels-
kammer in Shanghai und anderen Un-
ternehmen nach dem deutschen Vorbild
eine duale Ausbildung aufgebaut.
2011 wurde die Weidmüller Academy
Asia als erster internationaler Ableger
der Weidmüller Akademie aufgebaut.
Wie kam es dazu?
Eberhard Niggemann:
Die Weidmüller
Gruppe ist ein globales Unternehmen.
Schon etwas mehr als die Hälfte der Mit-
arbeiter arbeitet nicht in Deutschland,
sondern ist weltweit verteilt. Unser Um-
satz in Deutschland beträgt heute 25 Pro-
zent. Das heißt, ein Großteil des Wachs-
tums passiert außerhalb von Deutsch-
land. Und eine große Niederlassung in
Asien mit fast 1.000 Mitarbeitern liegt
eben in China. Dort haben wir schon vor
Längerem Maßnahmen in der Weiterbil-
dung ergriffen. So haben wir zum Bei-
spiel Studenten Praktika bei Weidmüller
angeboten, um den jungen Leuten einer-
seits Praxiseinblicke zu ermöglichen und
andererseits das Netzwerk mit den Hoch-
schulen aufzubauen. Mit dem Aufbau der
Akademie haben wir diese und weitere
Maßnahmen in Strukturen gebündelt und
ausgebaut.
China galt lange als Billiglohnland. Nun
investiert Weidmüller stark in die Weiter-
bildung …
Niggemann:
Als Weidmüller nach China
gegangen ist, wollten auch wir die nied-
rigen Lohnkosten nutzen und haben vor
allem Ungelernte im Bereich der Produk-
tion eingestellt. Heute ist China aber auch
ein großer Absatzmarkt, der für Weid-
müller wichtig ist. Unsere Produkte wer-
den für diesen Markt angepasst. Damit
steigen die Ansprüche an Entwickler,
Führungskräfte und Vertriebsmitarbeiter.
Sie müssen unsere Produkte verstehen,
um sie produzieren, verkaufen und wei-
terentwickeln zu können. Inzwischen
haben wir also ähnliche Herausforde-
rungen wie auch in Deutschland: Wir
„Noch Akzeptanz schaffen“
INTERVIEW.
Die Weidmüller Gruppe hat 2011 einen Ableger ihrer betriebseigenen
Akademie in Shanghai gegründet. Die dortigen Strukturen und Angebote sind ähnlich
wie in Deutschland. Allerdings gibt es auch einige Unterschiede zu beachten. Das
erfordert gerade in der Ausbildung noch Überzeugungsarbeit vor Ort.