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wirtschaft + weiterbildung
02_2014
gleichsweise günstige „Premium-Paket“,
das nur aus einem Vortrag zu 17.500 Euro
besteht. Preislich darunter liegt dann
noch das „Video-Präsentations-Paket“,
bei dem der Redner per Video-Konferenz
einer Veranstaltung zugeschaltet wird. 92
Prozent der Kunden wollen aber den Red-
ner in Person erleben.
Simon berichtet, dass das „Full-Ser-
vice-Paket“ noch nie gebucht worden
sei. Trotzdem komme ihm eine extrem
wichtige Funktion zu. Seit es angeboten
werde, verhandle keiner mehr über den
Preis des „Standard-Pakets“, weil mit der
Luxusvariante ein mächtiger Preisanker
gesetzt worden sei. „Dieser Effekt ist un-
glaublich“, wundert sich Simon selbst.
Und obwohl dieser Mechanismus schon
lange bekannt sei, werde er von Trainern
und Beratern bei der Ausformulierung
ihrer Angebote viel zu wenig genutzt. Der
Ankereffekt hat für den Pricing-Experten
weitreichende Folgen: „Wenn ein An-
bieter verschiedene Angebotsvarianten
hat und der Eventmanager entscheidet
sich nicht für die teuerste Variante, dann
glaube ich nicht, dass jemand noch die
Einkaufsabteilung einschaltet.“
1 Kompromiss-Effekt
Das gerade erwähnte Beispiel läuft in
der Wissenschaft von der Preisfindung
unter dem Stichwort „Kompromiss-
Effekt“. Nicht nur Privatleute, sondern
auch professionelle Kunden tendieren
dazu, das mittlere Produkt eines Ange-
botsspektrums zu wählen. Hat ein Kunde
die Wahl zwischen zwei Angeboten mit
unterschiedlichen Leistungen und Prei-
sen, dann tendiert er zum günstigeren.
Kommt noch ein hochwertigeres Ange-
bot dazu („Gold-Standard“), dann neigt
er zum mittelpreisigen Produkt, weil das
günstigste Angebot an Attraktivität ver-
liert. Wer mehrere Optionen anbietet, er-
höht seine Chancen, zum Abschluss zu
kommen – insbesondere, wenn der Mit-
bewerber dies nicht tut. Zwar ist es vor
diesem Hintergrund niemals klug, nur
zwei Angebotsvarianten anzubieten, aber
Vorsicht: Zu viele Leistungsangebote trei-
ben mit steigender Komplexität die Ent-
scheidungskosten in die Höhe und verzö-
gern in der Regel den Geschäftsabschluss
(Paradox-of-Choice-Phänomen).
Den Kompromisseffekt beobachtet man
am besten in Restaurants bei der Auswahl
von Weinen. Ein Gast lässt sich die Wein-
karte zeigen und wird nur selten den teu-
ersten oder den billigsten bestellen. Diese
„Magie der Mitte“ wirkt umso stärker, je
geringer die Kenntnisse über die objektive
Beschaffenheit und die Preise der jewei-
ligen Produkte sind. Für Simon ist dieses
Kaufverhalten „einigermaßen rational“.
Durch die Wahl des Produkts mit mitt-
lerem Preis reduziert der Kunde nämlich
sowohl das Risiko, eine schlechte Quali-
tät zu erwischen, als auch das Risiko, zu
viel auszugeben. „Man darf die äußeren
Ankerpreise allerdings nicht zu extrem
ansetzen, sonst können sie Kunden ab-
schrecken“, warnt der Professor. Das
gelte nach oben wie nach unten.
2 Schwellenpreis-Effekt
Abgeschreckt werden potenzielle Kunden
regelmäßig auch dadurch, dass Trainer
und Berater die in einer Branche existie-
renden Preisschwellen nicht beachten.
Eine Preisschwelle ist ein Punkt, bei des-
sen Überschreiten die Nachfrage stark zu-
rückgeht und bei dessen Unterschreiten
nach den Aussagen der Preispsychologen
ein positiver Absatzeffekt zu beobach-
ten ist. Unter Führungstrainern spricht
man zum Beispiel davon, dass bei erfolg-
reichen Mittelständlern die Preisschwelle
in Sachen Tageshonorar für erfahrene
Trainer bei 1.600 Euro und bei Industrie-
konzernen (wegen der Nachfragemacht)
bei 1.400 Euro liege.
Trainer sollten sich also bei 1.590 Euro
beziehungsweise 1.390 Euro Tagesho-
norar positionieren, wenn sie nicht Ge-
fahr laufen wollen, frühzeitig aus dem
Auswahlverfahren herauszufallen. Das
Problem für Trainer und Berater besteht
darin, dass es keine allgemeingültigen
oder gar „offiziellen“, sondern nur „ge-
fühlte“ Preisschwellen gibt, die jeder im
Laufe seiner Selbstständigkeit selbst er-
kunden muss. Dabei gilt es je nach Trai-
ningsthema, aber auch nach Region und
nach Branche zu differenzieren. Non-
Profit-Organisationen haben ihre Preis-
schwellen zum Beispiel recht nahe an der
1.000-Euro-Marke. Ein Trainer sollte die
Preisschwellen seines Markts noch aus
einem anderen Grund kennen, denn wer
sich zu weit unterhalb der Preisschwelle
aufhält, weckt Zweifel an seiner Qualität.
3 Zusatzleistungs-Effekt
Wer beim Tagessatz nicht auf seine Kos
ten kommt, sollte darüber nachdenken,
ob er nicht Extraleistungen, die bislang
wie selbstverständlich in der Tagespau-
schale enthalten waren, verselbststän-
digen kann. Als „abgespaltene“ Zusatz-
produkte könnten sie dann separat in
Rechnung gestellt werden. Die Vorberei-
tung und die Dokumentation von Stan-
dardseminaren werden in der Regel nicht
extra „bepreist“, aber Workshops mit den
Vorgesetzten der Seminarteilnehmer, in
R
04.
Wer selten Kunden wegen
seiner Preisvorstellung verliert,
ist wahrscheinlich zu
billig.
05.
Bei Trainern
ist die Persön-
lichkeit Teil des Produkts und
damit Teil der Preisfindung.
06.
Preise verhandeln ist ein
Machtkampf
zwischen
Anbieter und Nachfrager.