Seite 54 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_09

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wirtschaft + weiterbildung
09_2014
Der provokative Ansatz wurde Anfang
der 60er-Jahre in den USA von Frank
Farrelly, einem Sozialarbeiter, Psychothe-
rapeuten und späterem Professor für So-
ziale Arbeit und Psychiatrie, entwickelt.
Bei seiner Arbeit mit chronisch schizo-
phrenen und depressiven Patienten kam
er immer wieder schnell an seine Gren-
zen. Frustriert von mangelnden Therapie-
erfolgen entdeckte er durch Zufall, dass
der Einsatz von Humor eine durchschla-
gende Wirkung auf die Veränderungsbe-
reitschaft von Menschen entfalten kann.
Selbst hoffnungslos erscheinende Fälle
konnte er mit Humor und wohldosierten
Provokationen „aus der Klinik hinausthe-
rapieren“.
Zur „Provokativen Therapie“ gehört, dass
der Therapeut zwei unterschiedliche Si-
gnale aussendet. Während er dem Kli-
Eine Methode mit Potenzial
KONGRESS.
Gut ein Jahr nach dem Tod von Frank Farrelly, dem Begründer der
Provokativen Therapie, veranstaltete das Deutsche Institut für Provokative Therapie
(D.I.P.) das „1. Provokative Forum“. 85 Teilnehmer aus Deutschland, der Schweiz und
Österreich fanden sich ein, um sich über die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten dieser
Methode auszutauschen.
Netzwerk.
Therapeuten wie Business Coachs
nutzten das Forum, um Gedanken auszutauschen.
Plenum.
Neben 15 Vorträgen gab es
auch ein Abendprogramm mit Zauber-
Kabarett und Improvisationstheater.
Fotos: Scholpp
enten auf der verbalen Ebene mit einem
Augenzwinkern unverblümt und karikie-
rend seine möglichen selbstschädigenden
Verhaltensweisen präsentiert, vermittelt
er ihm auf der nonverbalen (sehr viel be-
deutungsvolleren) Beziehungsebene eine
tiefe Wertschätzung.
Jemanden nur dann zu provozieren,
wenn man zuvor einen herzlichen, guten
Kontakt aufgebaut hat – das ist der Kern
der provokativen Arbeit. So wird es mög-
lich, dass der Klient die Absurditäten
seines Verhaltens und seines Denkens la-
chend wahrnehmen kann. Mit humorvol-
ler Provokation sollen der Widerspruchs-
geist und die Eigenverantwortung des
Klienten geweckt und entwickelt werden.
Die Absicht ist, den Klienten zu bewe-
gen, dem Therapeuten zu widersprechen,
dadurch widerspricht er sich aber selbst
und so wird sein bisheriges einschrän-
kendes Glaubenssystem geschwächt oder
gar entmachtet. Zu einem Klienten, der
schilderte, wie lange er schon leide, sagte
Farrelly einmal: „Wie lange dauert dein
Leiden? Fünf Jahre? Jesus hat höchstens
eine Woche gelitten, da bist du wirklich
klarer Sieger.“ Der Klient ergänzte spon-
tan, dass Jesus viel intensiver gelitten
habe und schon war die Aufmerksamkeit
von der Länge zur Schwere des Leids ge-
wandert. Der Klient konnte das, was er
als Leid empfand, jetzt relativieren.
Farrelly, der eher intuitiv arbeitete, hat
seine Erfahrung einer Reihe von Mitstrei-
tern weitergegeben, von denen einige
sein Vorgehen systematisierten. Einer
davon ist Dr. Frank Wartenweiler aus Zü-
rich
r auf
dem Forum ungewöhnliche Dimensionen