Seite 22 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_09

Basic HTML-Version

22
wirtschaft + weiterbildung
09_2014
titelthema
Haider:
Redner werden von Veranstal-
tern erst einmal immer noch nach ihrem
Thema, also ihrer Expertise und dem In-
halt, den sie liefern, ausgewählt. Nicht
nur ich bin der Meinung, dass zum
Beispiel Frank Schirrmacher, Heraus-
geber der FAZ, einer der besten Redner
Deutschlands war, gerade weil er an-
spruchsvolle Inhalte vermitteln konnte.
Er fing an zu reden und man hing eine
Stunde lang an seinen Lippen, ohne dass
er auf der Bühne die Entertainmentkiste
aufgemacht hat. Ich buche Comedy-Red-
ner höchstens zur Auflockerung oder für
das Abendprogramm. Aber im Hauptpro-
gramm würde ich sie nur auftreten las-
sen, wenn sie auch eine klare Botschaft
haben, die zum beruflichen Umfeld des
Publikums passt und Nutzen bietet. Eine
Rede darf nicht aus einer Zusammenrei-
hung von belanglosen Gags bestehen.
Einen Trend zum reinen Entertainment
und zur heißen Luft sehe ich im deutsch-
sprachigen Raum nicht, höchstens eine
Tendenz zu mehr Entertainment im Spea-
king als früher.
Wenn es einen Markt für gute Redner
gibt, stellt sich die Frage, wie man einer
von ihnen werden kann. Macht zum
Beispiel eine mehrmonatige, berufs-
begleitende Speaker-Ausbildung Sinn?
Haider:
Grundsätzlich ja. Aber jede Art
von Lehrgang oder Ausbildung würde
ich immer erst dann buchen, wenn ich
sicher wäre, dass ich den Beruf des Spea-
kers auch absolut sicher als Hauptberuf
ergreifen will. Einige Speaker-Ausbildun-
gen, die ich beobachtet habe, haben sich
dadurch ausgezeichnet, dass sich über
die Hälfte der Teilnehmer gar nicht sicher
waren, für welche Expertise sie stehen
und ob sie später wirklich als Speaker ar-
beiten wollen.
Wenn man nun wirklich Speaker-Profi
werden will, wie sollte man vorgehen?
Haider:
Im Rahmen eines Lehrgangs be-
kommt man wichtige Anregungen. Man
lernt viel, was allgemein wichtig ist und
beachtet werden muss. Zum Beispiel
erste Schritte zur dramaturgischen Gestal-
tung eines Vortrags. Richtig hart wird der
Lernprozess aber erst, wenn man aus den
allgemeinen Inhalten seine eigene Rede
entwickelt und vor dem Spiegel und in
der Praxis erprobt. Jeder Speaker braucht
mindestens einen auf ihn zugeschnitte-
nen Vortrag, der nach einer Stunde von
mehr Auf als Abs dramaturgisch auf
einen Höhepunkt zuläuft und die Zuhö-
rer veranlasst, ihn mit Standing Ovations
zu verabschieden. Die ganz individuelle
Dramaturgie muss jeder für sich selbst
erarbeiten und ich rate dazu, sich dabei
coachen zu lassen – zum Beispiel von
Schauspiellehrern oder Theaterdrama-
turgen, die in gewissen Abständen die
Videoaufnahmen der betreffenden Rede
analysieren und Verbesserungen empfeh-
len. Jede Theatergruppe, die ein neues
Stück aufführen will, probt ein halbes
Jahr an einzelnen Szenen oder gar an ein-
zelnen Worten. Diese Entwicklungsarbeit
sollte sich ein Speaker auch gönnen.
Von US-Speakern hört man den Spruch:
„Du musst erst schreiben, bevor du reden
kannst.“ Was steckt dahinter?
Haider:
Wer ein Buch schreibt, signalisiert
dem Markt seine Kompetenz und erhöht
seinen Bekanntheitsgrad. Außerdem führt
Wie riskant ist der Weg vom Trainer zum
Speaker? Gibt es in Deutschland
überhaupt eine Nachfrage nach
professionellen Kongressrednern?
Siegfried Haider:
Es gibt einen riesigen
Markt, den wir noch gar nicht richtig
erschlossen haben. Aber diesen riesigen
Markt sehe ich nur für sehr gute Redner.
Für mittelmäßige oder gar schlechte Red-
ner gibt es keinen Markt, weil sich man-
gelnde Qualität sofort herumspricht. Wer
als Trainer den Speaker-Beruf „ein wenig“
ausprobiert, scheitert. Es gilt: Ganz oder
gar nicht.
Was macht ein guter Redner denn besser
als ein mittelmäßiger?
Haider:
Ein guter Redner kann eine Bühne
„bespielen“. Seine Rede folgt einer aus-
geklügelten Dramaturgie, die begeistert.
Dafür beherrscht er Techniken, die häu-
fig aus der Schauspielerei kommen. Aber
seine Performance ist nur Mittel zum
Zweck. Gleichermaßen wichtig ist, dass
ein Redner Experte für ein bestimmtes
Thema ist und er dieses Personen-The-
men-Matching im Rednermarkt bekannt
gemacht hat. Aus dieser Expertise kom-
men die Botschaften, die er motivierend
vermitteln kann. Ein guter Redner liefert
nicht nur Beispiele für erfolgreiches Han-
deln in Form von Stories, sondern vermit-
telt den Zuhörern das Gefühl, dass auch
sie mit entsprechendem Einsatz selbst
viel erreichen können. Es geht um eine
Einstellungsveränderung und die Motiva-
tion, den nächsten Schritt in Richtung auf
ein bestimmtes Ziel zu tun.
Man beobachtet gelegentlich, dass Red-
ner mit reiner Comedy punkten wollen …
„Es gibt einen riesigen Markt“
INTERVIEW.
„Wer als Speaker Erfolg haben will, muss vorher bestimmte Hausaufgaben
erledigen“, darauf macht Siegfried Haider, Marketing-Experte und seit 2001 Inhaber
der Referentenagentur Experts 4 Events
fmerksam. Der
Gründer und Ehrenpräsident der German Speakers Association (GSA) warnt: „In der
Welt der Speaker gibt es keine zweite Chance für einen guten ersten Eindruck.“
Foto: Christian Strohmayr