Seite 36 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_05

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training und coaching
36
wirtschaft + weiterbildung
05_2014
anderes tun, als zuzuhören. Viele berich-
ten hinterher, dass es sehr ungewohnt ge-
wesen sei, sich nicht sofort rechtfertigen
zu können oder zumindest „begründen”
zu dürfen, warum man sich so verhalten
hat, wie man sich verhalten hat. Sich
zurückzulehnen und sich ganz auf das
Fremdbild der Trainer zu konzentrieren,
macht es nach Aussagen der Feedback-
nehmer überraschend leicht, das eigene
Selbstbild zu erweitern.
Erst nachdem die beiden Trainer abge-
schlossen haben, darf sich der Teilneh-
mer zu ihnen an den Tisch setzen und
ein „Feedback zum Paravent-Feedback“
geben. Die überwiegende Mehrheit be-
richtet, dass sie genau diese Art des Feed-
backs nachdrücklicher beeinflusst hat als
andere Rückmeldungen. Vermutlich liegt
das daran, dass die beiden 70-jährigen
Trainer von den relativ jungen (27- bis
40-jährigen) Teilnehmern als sehr erfah-
rene Autoritäten wahrgenommen wer-
den, die nicht zuletzt durch ihren eigenen
Lebensweg gezeigt haben, dass sie per-
sönliche Herausforderungen bewältigen
können und zum Vorbild taugen.
Erproben, was in einem steckt
Der Industriekaufmann Kartmann ar-
beitete sieben Jahre lang als Vertriebs-
spezialist bei der IBM Deutschland. Die
Seminare, mit denen IBM seine Mitarbei-
ter weiterbildete, galten weltweit als vor-
bildlich. Kartmann war begeistert von der
praxisnahen Art, besser kommunizieren
zu lernen. Bei ihm entstand der Wunsch:
„Du musst Trainer werden.“ Im Jahr 1982
wechselte er zur Akademie für Führungs-
kräfte der Wirtschaft in Bad Harzburg
(„Harzburger Modell“) und arbeitete dort
als Verkaufs- und Führungskräftetrainer.
Als die Akademie 1987 Insolvenz anmel-
den musste, sprang Kartmann in die „ge-
wissermaßen erzwungene“ Selbstständig-
keit. „In der freiberuflichen Selbstständig-
keit als Trainer merkte ich erst, was in mir
steckte“, sagt der Kommunikationsprofi
im Rückblick. „So wurde ich zu einem Er-
mutiger für andere.“
Hans-Georg Metz, Münnerstadt, war 20
Jahre lang Berufsoffizier bei der Bun-
deswehr. Trotz eindrucksvoller Karriere
(Kommandeur eines Panzerbataillons,
Militärattaché in London …) stieg er auf
eigenen Wunsch aus der Bundeswehr
aus. Er traf diese sehr schwere Entschei-
dung, weil das Bedürfnis nach mehr
Selbstständigkeit übermächtig wurde.
Metz arbeitete als Trainer für Führung
und Organisation bei der Akademie für
Führungskräfte der Wirtschaft in Bad
Harzburg. Seit 1987 ist er selbständiger
Trainer und Coach im Bereich des Füh-
rungskräfte- und Teamtrainings. In den
ersten Jahren seiner Selbstständigkeit
studierte er nebenberuflich Psychologie
in London und schloss mit einem Mas-
ter Degree ab. „Mein Leitbild entspringt
der humanistischen Psychologie: Ich bin
der Designer meines Lebens. Ich darf und
muss meinen eigenen Weg finden und
gehen.“ Für Metz und Kartmann ist das
auch das Leitmotiv ihres Paravent-Feed-
backs: Menschen zu begleiten, ihren Weg
zu finden und zu gehen.
„Echte“ Außenperspektive
Die beiden Trainer bieten – anders als
der eigene Chef oder die Kollegen – eine
echte Außenperspektive. Hinzu kommt,
dass sich Kartmann und Metz jede Art
von „Beurteilung“ einer Person verknei-
fen und ihr Feedback zum beobachteten
Verhalten konsequent positiv formu-
lieren und dabei die Stärken der jewei-
ligen Person deutlich hervorheben. Die
meisten erfahren so – etwas überspitzt
formuliert – durch das Feedback, dass
und wo sie mehr „Gas geben“ sollten.
Selbst kritisches Feedback (zum Beispiel
in Richtung eines Vielredners) wird so
wohlwollend wie möglich verpackt: „Wir
nehmen Sie wahr als jemand, der jedem
Sprechimpuls nachgibt. Wir würden es
gerne sehen, wenn Sie ab und zu etwas
runterschlucken.“ Die beiden Trainer wis-
sen, dass sie in ihrem offenen Seminar
aus systemischer Sicht „nur“ am Indivi-
duum arbeiten. Da viele Seminarteilneh-
mer aus unterschiedlichen Unternehmen
kommen, die schon seit Langem Kunden
von Kartmann und Metz sind, können sie
die Eigenheiten der jeweiligen Unterneh-
menskultur berücksichtigen, wenn sie
Feedback zum Führungsverhalten und
zum Entwicklungspotenzial geben.
Trotz allem wird jeder weitere Entwick-
lungsschritt die Teilnehmer zunächst
einmal in für sie unbekanntes Gelände
führen. Deshalb brauchen Menschen Be-
gleiter, die ihnen zutrauen diesen Schritt
zu gehen. „Dieses Feedback ermöglicht
es uns, diejenigen zu werden, die wir
noch nicht sind“, meinte eine Teilneh-
merin etwas überschwänglich am Ende
das Seminars – ein Zeichen dafür, dass es
im Seminar nicht nur Feedback gab, son-
dern auch das gute Gefühl, dass jemand
meine Stärken sehen kann und Vertrauen
in meine Zukunft hat.
Martin Pichler
R
„Große“ Runde.
Metz (vorne links) und Kartmann (hinten links) lassen zu
ihren Seminaren mit Paravent-Feedback nur vier Personen zu.