Seite 35 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_05

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05_2014
wirtschaft + weiterbildung
35
Paravent.
Siegfried
W. Kartmann (ganz
links) und Hans
Georg Metz (Mitte)
diskutieren über
die Führungsqua-
litäten eines Teil-
nehmers, der ange-
spannt „lauscht“.
Arbeit zusammen. „Wir Trainer sagen
den Teilnehmern, wann genau wir sie im
Seminar als führungsstark erlebt haben.“
Sein Kollege Metz ergänzt: „Die meisten
unterschätzen sich und sind erstaunt
über unser Feedback“. Gleichzeitig sage
man aber auch sehr deutlich, dass trotz
ermutigender Anstöße von außen jeder
ganz alleine seine eigene Entscheidung
treffen müsse, ob er Vorgesetzter wird
oder nicht. „Führen muss man wollen“,
betont Kartmann.
Bei der anderen Hälfte der Feedbacks
geht es in erster Linie um das persönli-
che Auftreten und das Kommunikations-
verhalten. Berufsanfänger wollen eher
wissen, was sie generell „ausstrahlen“.
Erfahrene Manager brauchen Rückmel-
dungen zu individuellen Fragen – zum
Beispiel, warum sie sich immer wieder in
bestimmte Konflikte verwickeln lassen.
Bevor sie ein fundiertes Feedback geben
können, müssen Kartmann und Metz die
Teilnehmer natürlich näher kennenler-
nen. Das Seminardesign ist ganz darauf
abgestellt. Zwei Trainer sind immer anwe-
send und leiten als Team ein Seminar, zu
dem nur vier (!) Teilnehmer zugelassen
werden. Dem ersten Kennenlernen dient
eine Vorstellungsrunde am Vorabend
und ein anschließendes gemeinsames
Abendessen. Im Seminar selbst gibt es
Einzelpräsentationen, Gruppenarbeiten
und Rollenspiele, die quasi wie von selbst
dazu beitragen, dass die Teilnehmer aus
sich herausgehen. Wie „sich öffnen“,
„andere kennenlernen“ und gleichzeitig
„etwas lernen“ aus der Sicht der Teilneh-
mer funktioniert, zeigt die erste Aufgabe,
die gestellt wird. Jeder wird gebeten, auf
folgende sechs Fragen kurz zu antworten:
• Was waren Ihre wichtigsten beruflichen
Stationen?
• Wie wurden Sie von Ihrer Führungs-
kraft auf dieses Seminar vorbereitet?
Und wie wird es nachbereitet?
• Wie möchten Sie als Führungskraft
wahrgenommen werden?
• Wie holen Sie sich Feedback darüber,
wie Sie wahrgenommen werden?
• Welche berufliche Herausforderung be-
schäftigt Sie zur Zeit besonders?
• Was möchten Sie aus diesem Seminar
mitnehmen?
Immer wenn einer diese Fragen vor der
Gruppe beantwortet hat, erhält er von
jedem Zuhörer ein Feedback („Bei mir ist
im Kern angekommen …“) auf die dritte
Frage „Wie möchten Sie als Führungs-
kraft wahrgenommen werden?“. Diese
Übung wirkt als „Eisbrecher“. Jeder ist
nach kurzer Zeit gleichberechtigt zu Wort
gekommen, jeder offenbart etwas aus
seinem Berufsleben und jeder beschäf-
tigt sich mit jedem. Alle Teilnehmer füh-
len sich als Person wahrgenommen und
wertgeschätzt.
Die Veranstaltung ist trotzdem kein grup-
pendynamisches oder spirituelles Selbst-
erfahrungsseminar. Alle Übungen dienen
nicht nur dem Kennenlernen, sondern
vermitteln gleichzeitig auf der Inhalts­
ebene sorgfältig ausgewähltes Führungs-
wissen. Die Teilnehmer lernen zum Bei-
spiel, wie sie den Einfluss von Stress,
Hektik und Unvorhergesehenem auf das
persönliche Verhalten erkennen und steu-
ern können. Sie befassen sich mit den ei-
genen „Motivatoren“ und erfahren, wie
sie eine Demotivation der Mitarbeiter
vermeiden. Sie trainieren problematische
Gespräche anhand eigener, konkreter Pra-
xisfälle, die sie mitgebracht haben, und
üben dabei die Technik des Spiegelns und
des gekonnten Fragens.
Stärkenorientiert Mut machen
Während des Seminars sammeln die bei-
den Trainer genügend Material für das
große Finale – das Paravent-Feedback. Es
dauert etwa 15 Minuten. Kartmann und
Metz führen miteinander einen Dialog
über die Wirkung, die das Verhalten eines
Teilnehmers auf sie hatte. Außerdem be-
sprechen sie seine Wachstumsmöglich-
keiten im beruflichen Kontext. Sie haben
sich vorher nicht abgesprochen (was die
Sache lebendig macht) und sind durchaus
nicht immer einer Meinung, finden aber
immer zu gemeinsamen Denkanstößen,
die sie dem Teilnehmer mit auf den Weg
geben. Der Betroffene sitzt hinter einer
hölzernen Trennwand und kann nichts