Seite 14 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_05

Basic HTML-Version

menschen
14
wirtschaft + weiterbildung
05_2014
„Coachs sind keine
Dienstleister“
COACHING-SZENE.
Über Irrwege der Coaching-Szene sprach
der Coaching-Pionier Dr. Wolfgang Looss, der letztes Jahr sei-
nen 70. Geburtstag feierte, auf dem 1. Coaching-Kongress
der Hochschule Erding. Einer der gravierendsten Irrwege
besteht seiner Meinung nach darin, dass Coachs glaubten,
sie müssten Dienstleister sein.
Die Dramaturgie des 1. Coaching-Kongresses der Hochschule
für angewandtes Management in Erding stimmte. Die meis­
ten der rund 300 Teilnehmer blieben bis zum Schluss, um
Wolfgang Looss, einen der Pioniere der deutschsprachigen
Coachings-Szene, zu hören. Dessen „Karriere“ begann damit,
dass das Managermagazin im August 1986 einen Artikel über
ihn brachte, der „Partner in dünner Luft“ überschrieben war
und von dem neuen Trend handelte, dass Manager nach Ge-
legenheiten suchten, über ihre eigene Arbeit zu reflektieren.
Im Jahr 1991 brachte Looss dann sein Buch „Unter vier Augen
– Coaching für Manager“ auf den Markt, ein Grundlagenwerk,
das noch heute Orientierung gibt.
Der Moderator des Erdinger Kongresses kündigte Looss als
einen Mann an, der bekannt dafür sei, dass er gerne Klartext
rede. Als in der 1980er-Jahren Seminare zum Thema „Spiritu-
alität für Manager“ in Mode kamen, spottete Looss dem Mo-
derator zufolge: „Wer sich als Manager für Spiritualität inte-
ressiert, soll ein Vaterunser beten.“ Als die Coaching-Legende
die Bühne in der Stadthalle Erding betrat, machte er gleich klar,
dass diese Äußerung wohl Ausdruck eines Irrtums gewesen
sei, denn die Angebote an Spiritualität für Manager hätten sich
im Laufe der Jahre als viel seriöser herausgestellt, als es zu
Beginn den Anschein gehabt habe.
Grundsätzlich steht Looss den Entwicklungen der Coaching-
Profession heute viel gelassener gegenüber als noch vor rund
20 Jahren, als er auf einige Entwicklungen geradezu entrüs­
tet reagierte („Die Quelle missbilligt immer den Lauf des
Flusses“). Einiges, was er damals abgelehnt habe – wie zum
Beispiel das Telefon-Coaching – sehe er heute mit anderen
Augen. Andererseits forderte Looss trotz aller Altersgelassen-
heit seine Zuhörer in Erding dazu auf, in der Coaching-Szene
intensiver darüber zu diskutieren, ob einige der aktuellen Ent-
wicklungen Irrwege seien oder nicht. Er selbst hält es für eine
bedenkliche Entwicklung, dass sich die Coaching-Profession
immer mehr an die Welt der Betriebswirtschaftslehre anpasse.
Es sei sehr fraglich, ob die BWL die Leitdisziplin des Coachings
sein könne, meinte der studierte Diplom-Kaufmann, der 1977
über „organisatorische Strukturmodelle“ promovierte.
„Coaching ist Beziehungsarbeit auf Augen-
höhe und keine Dienstleistung“
Looss hält es für sinnvoll, dass sich Trainer, Berater und Coachs
um eine „Anschlussfähigkeit“ an die Wirtschaft bemühten.
Aber viel zu schnell hätten Coachs die Gepflogenheiten des
Business einfach übernommen und sich als Dienstleister de-
finiert. Aus dieser Position heraus hätten sie dann unter Mar-
ketinggesichtspunkten die Behauptung in die Welt gesetzt, sie
könnten Kunden zum Erfolg führen. So ein Versprechen sei
aber nicht zu halten, weil der Erfolg eines Coachings entschei-
dend davon abhänge, wie sehr der Coachee von sich aus aktiv
mitspiele. Im Coaching stehen laut Looss zwei lebendige, auto-
Foto: Julia Walkner
Keynote-Speaker.
Dr. Wolfgang Looss
spricht auf dem 1. Coaching-Kongress der
Hochschule Erding über seine eigenen
Irrwege und fordert zu einer intensiveren
Diskussion über die möglichen Irrwege der
Coaching-Profession auf.