Seite 15 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_05

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05_2014
wirtschaft + weiterbildung
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nome Systeme miteinander in Beziehung, die sich wechselsei-
tig beeinflussten – aber ohne diese Beeinflussung kontrollieren
zu können. Das heiße nicht, dass ein Coach nicht aussichts-
reich intervenieren könne, aber jede Wirkung ent­stehe als Pro-
zess zwischen zwei Subjekten und werde nicht vom Coach
gemacht. Looss: „Es geschieht oder es geschieht nicht.“
Für dieses interaktive Geschehen eigne sich statt Dienstleis­
tung besser der Begriff der Beziehungsarbeit. „Coaching ist
Begegnungsqualität, die sich mit den Leistungskategorien der
Betriebswirtschaft nicht gut erfassen lässt“, so Looss. „Dazu
bedürfte es schon einer unglaublichen Dehnung der betriebs-
wirtschaftlichen Begriffe.“ Im Coaching komme es darauf an,
dass Coach und Coachee gleichberechtigt ihre Beziehung ge-
stalteten. Zu einer Beziehung auf Augenhöhe gehöre es auch,
dass sich ein Coach einem Kundenwunsch verweigere. Wenn
der Coachee zum Beispiel für seine Arbeit ein Rezept verlange
und der Coach aus Erfahrung wisse, dass Rezepte nicht weiter-
helfen, dann müsse der Coach sagen dürfen: „Rezepte gibt es
bei mir nicht.“ Diese Art der „freundlichen Frustration“ sei im
Dienstleistungsgeschäft nicht denkbar, im Coaching aber sehr
wohl sinnvoll, um den Coachee damit zu konfrontieren, dass
es Sinn mache, an seiner grundsätzlichen Problemlösungskom-
petenz zu arbeiten, statt nach Checklisten zu rufen.
Bei Dienstleistungen im Sinne der Betriebswirtschaft liege die
Beziehungsdefinition aber ausschließlich beim Kunden. Der
bestimme, was in welcher Qualität geliefert werden müsse.
„Welcher Coach kann sich vorstellen, ein Service-Level-Agree­
ment inhaltlicher Art abzuschließen?“, fragte Looss seine Zu-
hörer.
„Wie werden Vermittlungsagenturen den
Markt verändern?“
Als möglicherweise weiteren Irrweg hat Looss die Entwicklung
hin zu großen Vermarktungsnetzwerken für Coachs bezeich-
net. Diese Zusammenschlüsse (Coach-Vermarkter) im Sinne
einer Genossenschaft hätten zur Folge, dass die Kompetenz
nicht mehr einer einzelnen Person, sondern einer Vermitt-
lungsagentur zugeschrieben werde. „Wollen wir das?“, fragte
Looss seine Zuhörer und forderte dazu auf, dieses Thema in
der Szene zu diskutieren. Wichtigste Frage: „Wie soll in diesem
Zusammenhang Professionalität definiert werden?“
Looss vermutete, dass Vermittlungsagenturen dann Erfolg
haben könnten, wenn sich einige Mitarbeiter zu Experten für
Fragen der Passung entwickeln würden. Gutes und schnelles
Matching könne man durchaus lernen. Dazu gehöre eine ra-
sche Auffassungsgabe und diagnostische Kompetenz, um die
Probleme der Unternehmen zu verstehen und auf der anderen
Seite müsse man die eigenen Coachs sehr gut kennen. Letztlich
müsse man in den nächsten fünf Jahren die Antworten auf
diese Fragen über Versuch und Irrtum herausfinden.
Martin Pichler