Seite 20 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_01

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titelthema
20
wirtschaft + weiterbildung
01_2014
der Methode kann man die in der Ver-
gangenheit gemachten Erfahrungen für
zukünftige Entscheidungen nutzbar ma-
chen. Dies bedeutet, dass einerseits die
Möglichkeit besteht, alle relevanten Ereig-
nisse auf der Zeitlinie bewusst und verän-
derbar anzugehen. Andererseits können
gemachte Erfahrungen als Ressourcen in
die Gegenwart oder auch in die Zukunft
mitgenommen werden. Jede belastende
Frage oder Entscheidung in der Gegen-
wart kann mit der Timeline-Methode mit
dem Blick auf eine gelingende Zukunft
angegangen werden.
Mit der Methode kann man die Begren-
zung des Tetralemmas (Formalismus,
fehlende Emotionalität) konstruktiv er-
weitern. In der Zusammenführung beider
Methoden ergibt sich der „Mehrwert“
dadurch, dass sowohl die individuelle
Geschichte des Entscheidungsprozesses
sowie die differenzierten Entscheidungs-
positionen miteinander verknüpft wer-
den können. Jede der fünf Positionen
kann aus der eigenen Geschichte heraus
betrachtet, gewürdigt und befragt wer-
den. Mit dieser Fusion der Methoden
„negiertes Tetralemma“ und „Timeline“
(Double-T-Methode) kann man Entschei-
dungen gut angehen.
Ein Beispiel für die
„Double-T-Methode“
Die Double-T-Methode als Methoden­
integration stellt sich in der Praxis an
einem Beispiel folgendermaßen dar: Eine
Angestellte aus dem Mittelmanagement,
die in einer Großbank arbeitet, wird von
ihrem Chef gefragt, ob sie nicht als Expa-
triate (Fachkraft, die an eine ausländische
Zweigstelle entsandt wird) für sechs bis
neun Monate nach Japan gehen möchte.
Das ist oberflächlich betrachtet ein sehr
schönes Angebot, aber eigentlich ist
diese Mitarbeiterin für Südamerika zu-
ständig. Japan ist ihr völlig fremd. Vor
einigen Jahren wurde ihr Expat-Antrag
nach Chile abgelegt. Jetzt ist sie längst
mit ihrem Freund in die Familienplanung
eingestiegen. Ihrem Chef ist Japan sehr
wichtig. Er möchte eine Entscheidung
innerhalb 24 Stunden, da er dann in sei-
nen Urlaub geht. Der Coach erforscht erst
einmal die Timeline der ratsuchenden
Bankangestellten. Er bittet die Frau, eine
alltägliche Handlung zu wählen (zum
Beispiel Zähne putzen) und fragt: „Er-
innern Sie sich, wie Sie sich heute Mor-
gen die Zähne geputzt haben? Wenn Sie
sich dies vorstellen, wo wäre der Ort für
diese Erinnerung?“. Dann fährt er fort:
„Wo sehen Sie sich gestern putzen?“,
„Vor einer Woche?“, „Vor einem Monat?“.
Ebenso fragt der Coach in die Zukunft hi-
nein: „Wo sehen Sie sich morgen, in einer
Woche …?“.
Die Orte im Raum markiert der Coach mit
Kärtchen. Dann legt er für die Klientin
das Double-T-Werkzeug aus: ein Metall-
ring, an dem sechs verschiedenfarbige
Seile befestigt sind. Der Metallring steht
für das Problem, zu dem eine Entschei-
dung getroffen werden muss. Eines der
sechs Seile stellt während der Übung die
Timeline in die Vergangenheit dar. Die
restlichen fünf Seile werden benötigt, um
die fünf Positionen des Tetralemmas zu
verkörpern.
Die Klientin wählt eine Farbe für die Ver-
gangenheit, dieses Seil legt der Coach ent-
sprechend der Zeitlinie für Vergangenes.
Danach soll die Klientin von den verblie-
benen Farben jene auswählen, die sie am
meisten anspricht. Das gerade gewählte
Seil nimmt die Position „Das eine“ ein
und das Tetralemma startet.
1.
Einstieg in die Timeline
Die Klientin stellt sich nun auf den Me-
tallring, an dem alle Seile zusammen-
laufen. Sie steigt körperlich in die be-
stehende Entscheidungssituation ein.
Nun lässt man die Klientin erzählen, um
welche Entscheidung es sich handelt,
wie es ihr damit geht, wer alles daran
beteiligt ist, was ihr das größte Hinder-
nis erscheint. Die Klientin kann diese
Situation gerne auch als „Klagemauer“
nutzen, um angestaute negative Energie
durch Aussprechen abzubauen. Nach-
dem die Bankangestellte das Dilemma
ausreichend darstellen konnte, befragt
der Coach sie kurz, wie am Ende der
Sitzung ein gutes Ergebnis aus ihrer mo-
mentanen Sicht aussehen könnte. Dies
schreibt der Coach auf eine Karte und
legt diese unter den Verbindungsring.
Die Klientin schildert noch einmal die
vertrackte Situation, in die sie hinein­
katapultiert wurde (der enge Zeitrah-
men, das Fordern des Chefs, die eigenen
Bedürfnisse und Ziele und auch die er-
lebte Enttäuschung).
2.
Diskurs durch die Tetralemma-
Positionen
Jetzt führt der Coach seine Klientin ent-
sprechend durch die verschiedenen Posi-
tionen, indem er diese kurz erklärt. Die
Klientin wird eingeladen, in ihre jeweils
mögliche Zukunft einzusteigen, um zu
erkennen und zu fühlen, wie es wäre,
wenn sie sich für die jeweilige Position
entschieden hätte.
Sie wird in jeder Position zu Vor- und
Nachteilen befragt, zu ihrer Sicht auf die
anderen Beteiligten oder auf Meilen- be-
ziehungsweise Stolpersteine, die sie nun
wahrnimmt. Sie darf natürlich auch Ideen
und Gefühle äußern. Die Klientin nimmt
die verschiedenen Positionen nacheinan-
der ein und wird zu diesen vom Coach
interviewt, dadurch werden alle Vor- und
Nachteile der jeweiligen Position deutlich
und benannt.
Position „Ich gehe nach Japan“.
Vorteile: Der Chef freut sich und dies
wirkt sich positiv auf ihre weitere firmen-
interne Karriere aus. Nachteil: Ihr Freund
wird nicht sehr glücklich darüber sein.
Unsicherheiten: Was passiert mit ihrem
Bereich und was macht sie nach dem
Aufenthalt in Japan?
r
Werkzeug.
Elmar Willnauer mit seinem
„Tool“, das aus sechs Seilen und einem
Metallring besteht.