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01_2014
wirtschaft + weiterbildung
19
nimmt, neu priorisiert und damit das
bestehende Dilemma grundsätzlich un-
terbricht. „Was wäre zu tun, auch wenn
es mit der Ausgangsfrage gar nichts zu
tun hat?“
Die bestehenden Positionen verlieren
nicht an Wert, nur weil das „Sowohl-
als-auch“, das „Weder-noch“ oder die
„Nicht-Position“ hinzugezogen werden.
Jedoch zeigt diese formale Durchwan-
derung aller möglichen und fast schon
unmöglichen Positionen eventuell noch
nicht gesehene Zusammenhänge, ver-
steckte Vorteile oder unvorhergesehene
Möglichkeiten auf. All dies „bricht“ fest-
gefahrenes Denken auf, führt aus der
Sackgasse der Entscheidungsfähigkeit
heraus und generiert beziehungsweise le-
gitimiert neue Wahlmöglichkeiten.
Das Tetralemma differenziert die einzelne
Position, die man in einer Entscheidung
einnehmen kann, sehr umfassend und
grundsätzlich und bezieht sich nur auf
die Entscheidung als solche. Doch Ent-
scheidungen kommen nicht aus dem
Nichts, sie haben meistens eine Vorge-
schichte. Meistens wird eine Entweder-
Oder-Situation regelrecht aufgebaut, ar-
gumentativ verfestigt und durch endlose
Disputreihen in seiner Starrheit zemen-
tiert. Das Tetralemma ist eine Methode,
diese Starrheit wieder zu verflüssigen
und zu dynamisieren. Dies ist die echte
Stärke dieser formalen (fast schon forma-
listischen) Methode.
Die Vorgeschichte der Entscheidung und
die Geschichte der Entscheidungssuche
werden beim Tetralemma allerdings nur
am Rande thematisiert. Die logische For-
malität der Methode erreicht damit ihre
immanente Begrenzung. Daher gilt es,
der Tetralemma-Methode eine weitere
Methode an die Seite zu stellen, um nicht
nur die Argumente und Möglichkeiten
zu betrachten, sondern auch den ge-
schichtlichen beziehungsweise zeitlichen
Rahmen zu sehen und für die Lösung
zu nutzen. Man verknüpft somit die ei-
gene Vergangenheit mit der möglichen
Zukunft. Wer die Vorgeschichte der Ent-
scheidungsfindung bis in die aktuelle
Gegenwart hinein wahrnimmt, sieht die
eigene Zukunft klarer.
Die Timeline als Kraftquelle
für Entscheider
Die Timeline-Methode ist als Technik
(„Walking the Time Line“) seit Anfang
der 70er-Jahre bekannt. Wer sie erfunden
hat, ist jedoch umstritten. Die NLP-Grün-
der Richard Bandler und John Grinder
kommen dafür genauso in Betracht wie
der NLP-Trainer Robert Dilts. In den fol-
genden Jahren haben dann der Therapeut
Tad James und der NLP-Trainer Wyatt
Woodsmall die Methode zur „Time Line
Therapy“ weiterentwickelt und in ihrem
Buch „Time Line“ (Junferman, Paderborn
2002) beschrieben.
Der Methode der Timeline („Zeitlinie“)
liegt die Erfahrung zugrunde, dass Men-
schen Erinnerungen auf eine ganz be-
stimmte und individuelle Weise abspei-
chern – wobei sich diese Speicherung
meist als eine Aneinanderreihung der er-
lebten Ereignisse in chronologischer Rei-
henfolge darstellen lässt. Damit hängen
r
dann aber auch alle Ereignisse zu einem
Thema mit allen anderen Ereignissen zu-
sammen, da sie ja alle wie Perlen eine
Kette bilden. Dies ermöglicht es, auf einer
auf dem Fußboden aufgezeichneten Zeit-
„Linie“ von jedem Ereignis aus zurück-
zuwandern (zum Beispiel von der Gegen-
wart zurück zum Beginn einer Sache).
Bei der Timeline-Methode muss man je-
doch Folgendes beachten: Jeder Mensch
organisiert zwar seine Erinnerungen auf
einer Art Zeitachse, aber jeder Mensch
hat seine eigene Zeitachse. Um die Me-
thode der Timeline anzuwenden, muss
man zuerst die subjektive Vorstellung
von der Zeitlinie klären. Generell gibt es
zwei sehr verbreitete Vorstellungen vom
Verlauf von Zeit: 1. die Vorstellung, die
Zukunft liege sichtbar vor einem und die
Vergangenheit hinter einem („In-Time“-
Vorstellung) und 2. die Vorstellung, die
Zukunft und die Vergangenheit lägen
rechts beziehungsweise links vor einem
(„Through-Time“-Vorstellung).
Daneben kann es noch Mischformen
unterschiedlicher Ausprägungen geben,
zusammengefasst im Begriff „Between-
Time“ (die Vergangenheit liegt zum Bei-
spiel hinter einem, ist jedoch sichtbar wie
die Zukunft links beziehungsweise rechts
vor einem). Ausführliche Informationen
dazu finden sich auf
Die Timeline-Methode kann gut dazu
verwendet werden, um in Gedanken in
die Vergangenheit zurückzugehen, um
dort Ressourcen zu reaktivieren, nach-
träglich zu aktivieren oder prägende Er-
lebnisse und daraus gefolgerte Einsichten
und Wahrnehmungen zu bearbeiten. Mit
Visualisierung.
Durch Seile und Kärtchen werden das Tetralemma
(links) und die gesamte Double-T-Methode gut (be)greifbar.
Foto: Willnauer