Seite 56 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_07-08

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56
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2014
der Globalisierung? HR-Fragen für eine
zukunftsorientierte Unternehmensfüh-
rung“ stellte. Um es vorweg zu sagen:
Heuer hat ihren Anspruch in die Tat um-
gesetzt. Die führende Veranstaltung im
Sinne der Größe musste die DGFP abge-
ben, mit dem neuen Kongressformat hat
sie aber die führende Position im Sinne
der Innovation und Meinungsführerschaft
zurückerobert.
Ein Philosoph ohne Wirkung
Der erste Akt der Innovation war es,
Professor Peter Sloterdijk als „Keynote
­Speaker“ für den Vorabend auf dem Schiff
Cap San Diego auszuwählen, der aus phi-
losophischer und kulturhistorischer Sicht
Orientierung über den Fortgang der Glo-
balisierung lieferte – auch wenn die vie-
len Provokationen, mit denen der Vortrag
gespickt war, im Publikum unwiderspro-
chen verhallten. So war, nach Sloterdijks
Ansicht, Christopher Kolumbus der erste
Personalmanager, der seine Mannschaft
auf eine riskante Reise mitnahm. Dabei
habe er seine Mannschaft auf See bei
Laune und die aufkommenden Zweifel
über die Erreichung des Ziels in Schach
gehalten. Die Personalinstrumente, die
neben der Kapitänsdiktatur zum Einsatz
kamen: „Er hat seine Mannschaft ständig
belogen und jeden Tag das Logbuch ge-
fälscht.“
Welche Implikationen Sloterdijk mit sei-
nem Denken verband, wurde am Abend
mangels Diskussion jedoch nicht deut-
lich. Dass der moralisch-politische Cha-
rakter seines Denkens schwer zu durch-
schauen ist, ist bekannt und wurde am
Abend ebenfalls deutlich. Insofern kann
Sloterdijk nicht mit dem neuen, frischen
Denken in der DGFP in Zusammenhang
gestellt werden.
Demut vor China
Im Mittelpunkt des zweiten Tags stand
die Analyse der Globalisierung. 25 hoch-
karätige Experten aus Wissenschaft, Po-
litik, Kultur und Wirtschaft präsentierten
ein Feuerwerk an Einsichten und Erfah-
rungen. Professor Rudolf Hickel, der ge-
werkschaftsnahe Ökonom aus Bremen,
verwies in der Expertenrunde auf die
Fehlentwicklungen der Globalisierung
der Finanzmärkte, die die vergangene
Weltwirtschaftskrise ausgelöst hatten.
Für Hickel sind die globalen Konzerne die
Gewinner der Globalisierung, während
er die dritte und vierte Welt ebenso zu
den Verlierern zählt wie den deutschen
Niedrig­lohnsektor. Mit dieser Einschät-
zung stand Hickel nicht allein, was State-
ments von Kongressteilnehmern – die mit
am Vorabend gedrehten Videos einge-
spielt wurden – zeigten. Ein Teilnehmer
sprach sogar davon, es gebe überhaupt
keine Gewinner der Globalisierung.
Der Kongress der Deutschen Gesellschaft
für Personalführung (DGFP) war über
viele Jahre die führende Veranstaltung für
die HR-Szene in Deutschland, auf der sich
bis zu 1.000 Personaler einfanden. In den
vergangenen Jahren sackte die Teilneh-
merzahl ab, auch die Standortverlegung
von Wiesbaden nach Frankfurt konnte
das nicht aufhalten. Der vom Bundes-
verband der Personalmanager (BPM) in-
itiierte Personalmanagementkongress in
Berlin war zu mächtig geworden.
Katharina Heuer, seit etwas über einem
Jahr amtierende Geschäftsführerin der
DGFP, wagte in diesem Jahr einen Neu-
anfang. Aus einem Kongress machte sie
zwei: einen für die Young Professionals,
der im September in Berlin stattfinden
wird, und einen für die Top-Entscheider,
der im Mai im Hamburger Hafen durch-
geführt wurde. „Wir wollen exklusiver
werden und wir wollen vom Markt her,
nicht von HR her denken“, formulierte sie
ihren Anspruch an die Veranstaltung, die
sie unter das Motto „Die nächste Welle
Neues Format mit mehr Mut
RÜCKBLICK.
Die Deutsche Gesellschaft für Personalführung ist zurück auf dem Parkett
der großen HR-Veranstaltungen. Mit ihrem neuen Kongressformat konnte sie die
Teilnehmer überzeugen und sich selbstbewusst, offen und innovativ präsentieren.
Keynote.
Philosoph Peter Sloterdijk
eröffnete den Kongress provokativ.
Wissenschaft.
Franz Josef Radermacher
überraschte mit seiner Zukunftsvision.
Fotos: DGFP, Philipp von Recklinghausen