Seite 14 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_07-08

Basic HTML-Version

menschen
14
wirtschaft + weiterbildung
07/08_2014
„Die Hochzeit der
Gurus ist vorbei“
INTERVIEW.
Der Motivationstrainer Rolf Schmiel, Essen,
sorgt mit seiner Keynote „Wachsen oder Weinen“ für
Aufmerksamkeit auf Kongressen und Messen. Der Diplom-
Psychologe distanziertesich von Motivationsgurus. Sein
Weg: Menschen und Organisationen individuell zu trainie-
ren, aus Pleiten die Stärke für künftige Erfolge abzuleiten.
Viele Motivationstrainer berufen sich auf das „Positive
Denken“. An welcher Strömung orientieren Sie sich?
Rolf Schmiel:
Ich könnte jetzt scherzhaft sagen, bei mir ist alles
negativ. Das wäre mal eine gute Schlagzeile: „Mit Negativdenken
zum Erfolg“. Im Gegensatz zu vielen Motivationstrainern habe
ich ein psychologisches Studium. Zwar orientieren sich alle Kol-
legen an aktuellen psychologischen Publikationen populärwis-
senschaftlicher Art, aber die wenigsten sind Diplom-Psychologen
oder haben eine wissenschaftliche Kompetenz in klinischer Psy-
chologie oder Arbeitspsychologie. Jenseits von einzelnen psy-
chologischen Strömungen lege ich Wert auf einen hohen indivi-
duellen Anspruch. Ich richte mich nicht nach einer bestimmten
Schule oder Lehrmeinung, sondern schaue mir den Ist-Zustand
und die Ziele eines Unternehmens oder Menschen an.
Optimismus oder eine gewisse Selbstüberschätzung legen
aber auch Sie unter Umständen Ihren Kunden nahe. Bis zu
welchem Grad ist das Erfolg versprechend?
Schmiel:
Natürlich ist eine bestimmte Form von Zuversicht und
Optimismus, die man kritisch auch als Selbstüberschätzung
beschreiben könnte, gesund. Es gibt Untersuchungen, die zei-
gen, dass Optimisten die Realität zu positiv einschätzen, aber
gesünder sind. Pessimisten beurteilen die Realität genauer, sind
aber mit ihrem Leben unzufriedener. Da gilt es, individuell zu
schauen, in welchen Phasen meines Lebens ist Optimismus
wichtig und richtig und in welchen ist harte Selbstkritik und
intensives Feedback zur Weiterentwicklung meiner Fähigkeiten
sinnvoll. Jemandem, der gesättigt und selbstzufrieden ist, zu
sagen, „Du machst alles super“ – das macht unbeweglich. Man
muss situativ beurteilen und dann den Finger in die Wunde
legen oder Menschen aufbauen. Motivationspsychologie be-
steht aus zwei Elementen: Erbauung und Ermahnung.
Im Einzelcoaching ist das leicht vorstellbar. Aber wie machen
Sie das konkret in größeren Gruppen, dass Sie Menschen, die
womöglich alle in einer anderen Phase sind, unter einen Hut
bekommen?
Schmiel:
Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe. In einem Im-
pulsvortrag geht es darum, Impulse zu setzen. Diese Impulse
können natürlich bei Großgruppen nicht auf den einzelnen
Teilnehmer zugeschnitten werden, aber individuell auf die Si-
tuation eines Unternehmens oder einer Unternehmenseinheit.
Es gibt ganz klare Indikatoren, was eine Truppe gerade braucht.
Wenn etwa ein Team über viele Jahre sehr erfolgreich ist und
darüber den Erfolgshunger verliert oder eine gewisse Arroganz
entwickelt, dann ist es meine Aufgabe, Fehlleistungen aufzu-
zeigen – unterhaltsam verpackt, sodass eben auch die bittere
Pille schmeckt. In Organisationen, in denen es die Menschen
wirklich schwer haben und es nicht gut läuft, gilt es, an die
Selbstwirksamkeitsüberzeugung aufgrund vergangener Erfolge
Foto: Spring Messe Management/Franz Pfluegl
Rolf Schmiel.
Der Motivationstrainer
brachte mit seiner Keynote „Wachsen
oder Weinen“ die Besucher der Messe
„Personal Süd 2014“ zum Nachdenken
über Arbeit und Privatleben: Wie werden
wir (wieder) leistungsfähiger? Wo stecken
unerschlossene Kraftreserven in uns?