10_2014
wirtschaft + weiterbildung
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Welt und ökonomische Unabhängigkeit.
Das bedeutet nicht, dass man deswegen
auf Familie, Kinder und die Liebsten an
der Seite verzichten soll. Frauen sollten
aber den Beruf für wichtig nehmen, um
ihren Platz in der Arbeitswelt zu erobern
und zu erhalten – und wenn sie es denn
wollen, auch um Karriere zu machen.
Die meisten Frauen wählen typische
Frauenberufe. Studien sagen, dass
gerade Berufe, in denen viele Frauen
arbeiten, kein so großes Renommee
haben. Inwiefern sollten Frauen ihre
Berufswahl überdenken?
Mika:
Ja, das ist die typische Geschichte.
Und das geht noch weiter: Wenn eine
Branche an Renommee verliert oder dort
weniger verdient wird, gibt es noch mehr
Frauen. Das können Sie in der Medizin
beobachten, auch im Journalismus. Das
wirkt sich dann auch auf das Gehalt aus.
Es hat natürlich auch viel mit Sozialisa-
tion und Erziehung zu tun, dass Frauen
in diesen Bereichen landen und billigend
in Kauf nehmen, dass sie weniger Geld
verdienen. Das war ja bei mir nicht an-
ders, bei der taz verdient man auch ganz
wenig Geld. Der Job war mir immer
wichtiger. Das finde ich bei Frauen einer-
seits toll, dass sie sagen, Qualität ist mir
wichtiger als der Verdienst, nur an be-
stimmten Stellen kommt man damit eben
in der Arbeitswelt nicht weiter.
Verdienen Sie weniger als Ihr Kollege?
Mika:
Ich glaube nicht. Das wäre ja noch
schöner. Obwohl das nicht ungewöhnlich
wäre. Ja, weil wir zu blöd sind, richtig
hart zu verhandeln. Wir können nicht
über unseren Schatten springen. Obwohl
ich in meinen Büchern schreibe, Mädels,
wir müssen da härter werden, mir fällt es
unendlich schwer. Da muss ich mit mir
selbst schimpfen.
Inwiefern reicht eine selbstbewusste Ein-
stellung aus, um Karriere zu machen?
Mika:
Frauen, die Karriere machen möch-
ten, wissen, dass sie sich voll reinhän-
gen müssen. Die Gemeinheit ist, dass
sie es so gut wissen, dass sie bereit sind,
mit ihrem Privatleben auf eine Art und
Weise für ihre Karriere zu zahlen, wie es
von keinem Mann verlangt wird. Denn
viele Frauen verzichten ja dann auf Fa-
milie. Deshalb müssen wir das Private,
also das, was Frauen selbst tun können,
immer zusammen denken mit dem Poli-
tischen, also den Strukturen. Denn auch
wenn sich Frauen noch so sehr anstren-
gen, es gibt immer noch Dinge, an denen
sie scheitern. Und zwar auch diejenigen
Frauen, die sich privat völlig „richtig“
verhalten. Und weil die Strukturen so
mistig sind, wie sie sind, wird dann von
Frauen auch noch verlangt, dass sie we-
sentlich mehr leisten.
Was können Unternehmen tun, damit
sich an den Strukturen etwas ändert?
Mika:
Zum einen sollten sie Familien-
freundlichkeit nicht als Frauending ver-
stehen. Wenn Unternehmen einen Be-
triebskindergarten anbieten, dann sagen
manche doch glatt, dieser Betriebskinder-
garten ist für unsere Arbeitnehmerinnen.
Als hätten die Kinder keine Väter. Bei
allem, was eine unmittelbare Verknüp-
fung von Mitarbeiter und Familie im Un-
ternehmen herstellt, sollten sie deutlich
machen, dass das für Männer und Frauen
gilt. Sie können zeigen, dass sie von ihren
Vätern im Unternehmen erwarten, dass
sie in Elternzeit gehen.
Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Posi-
tion als Arbeitgeberin in einer Redaktion
sagen: Viele Männer gehen als Männer
in die Elternzeit und kommen als Men-
schen zurück. Zum anderen ist es wich-
tig, dass Frauen, die beruflich aussetzen,
weder positiv noch negativ diskriminiert
werden, wenn sie wieder in den Beruf
einsteigen wollen. Solange Frauen allein
in Teilzeit gehen, ist das ein absoluter
Pferdefuß. Männer und Frauen sollten
ihre Jobs reduzieren, aber beide nicht so
viel, dass sie das ihre Qualifikation, ihr
Einkommen und ihre Aufstiegschancen
kostet.
Wie sieht es mit der Weiterbildung von
Frauen aus?
Mika:
Wenn Frauen einen Teilzeitjob
haben, bekommen sie deutlich weniger
Fortbildungsmaßnahmen. Wenn sie dann
auch noch gering qualifiziert sind, dann
ist es mit Qualifizierung ganz aus. Das
führt dann auch dazu, dass Frauen, wenn
sie solche Erfahrungen machen, frustriert
sind und ihren Job quasi wie nebenbei er-
ledigen. Ein Drittel aller Frauen, die nach
einer längeren Auszeit in den Job wieder
einsteigen, steigen wieder aus, weil sie
keine Chancen sehen.
Sie haben ein Buch geschrieben über das
Älterwerden von Frauen. Was bedeutet
diese Andersbehandlung für Frauen,
wenn sie in die Jahre kommen?
Mika:
Da wird es noch einmal besonders
deutlich. Es gibt eine Untersuchung des
Bundesfamilienministeriums im deutsch-
sprachigen Raum. Da haben Frauen in
Führungspositionen gesagt, mit Ende 40,
Anfang 50 ist bei uns die Aufstiegslei-
ter zu Ende. Wenn Frauen ein gewisses
Alter erreicht haben, was lächerlich ist
angesichts unserer Lebenszeit und un-
serer Lebensarbeitszeit, haben sie keine
Möglichkeit mehr weiterzukommen. Bei
Frauen setzt die Altersdiskriminierung im
Beruf nicht nur früher, sondern sehr viel
schärfer an.
Sie haben aber doch auch jenseits
der 50 nun noch einmal einen neuen
Karriereschritt gemacht. Sind Sie nur die
Ausnahme von der Regel?
Mika:
Das, was ich jetzt mache, dass ich
mit 60 noch einmal in einen Führungs-
job neu eingestiegen bin, das kommt so
gut wie nie vor. Und Männer? Die kön-
nen sogar noch Mitte 70 sein und da wird
ihnen noch ein hoch dotierter und höchst
verantwortlicher Managementjob ange-
boten. Die allermeisten Männer in den
Aufsichtsräten der deutschen Unterneh-
men haben das Rentenalter längst über-
schritten.
Also haben Sie einfach mal wieder Glück
gehabt.
Mika:
Ja, das ist im Beruf immer so: Vie-
les ist eigenes Vermögen und Verdienst,
aber es kommen auch immer Glück und
Zufall, am richtigen Zeitpunkt am richti-
gen Ort zu sein, dazu. Wer behauptet, er
hätte bestimmte Leistungen nur aus ei-
genem Vermögen erbracht, der sagt nicht
die Wahrheit. Chancengleichheit für Män-
ner und Frauen im Beruf – dafür brau-
chen wir gesellschaftliche Veränderun-
gen, Glück und die Einsicht, uns selbst
am Schopf zu packen und die Chancen
auch zu nutzen. Das kann man nicht aus-
einanderdividieren.
Interview: Stefanie Hornung