10_2014
            
            
              wirtschaft + weiterbildung
            
            
              51
            
            
              Welt und ökonomische Unabhängigkeit.
            
            
              Das bedeutet nicht, dass man deswegen
            
            
              auf Familie, Kinder und die Liebsten an
            
            
              der Seite verzichten soll. Frauen sollten
            
            
              aber den Beruf für wichtig nehmen, um
            
            
              ihren Platz in der Arbeitswelt zu erobern
            
            
              und zu erhalten – und wenn sie es denn
            
            
              wollen, auch um Karriere zu machen.
            
            
              Die meisten Frauen wählen typische
            
            
              Frauenberufe. Studien sagen, dass
            
            
              gerade Berufe, in denen viele Frauen
            
            
              arbeiten, kein so großes Renommee
            
            
              haben. Inwiefern sollten Frauen ihre
            
            
              Berufswahl überdenken?
            
            
              Mika:
            
            
              Ja, das ist die typische Geschichte.
            
            
              Und das geht noch weiter: Wenn eine
            
            
              Branche an Renommee verliert oder dort
            
            
              weniger verdient wird, gibt es noch mehr
            
            
              Frauen. Das können Sie in der Medizin
            
            
              beobachten, auch im Journalismus. Das
            
            
              wirkt sich dann auch auf das Gehalt aus.
            
            
              Es hat natürlich auch viel mit Sozialisa-
            
            
              tion und Erziehung zu tun, dass Frauen
            
            
              in diesen Bereichen landen und billigend
            
            
              in Kauf nehmen, dass sie weniger Geld
            
            
              verdienen. Das war ja bei mir nicht an-
            
            
              ders, bei der taz verdient man auch ganz
            
            
              wenig Geld. Der Job war mir immer
            
            
              wichtiger. Das finde ich bei Frauen einer-
            
            
              seits toll, dass sie sagen, Qualität ist mir
            
            
              wichtiger als der Verdienst, nur an be-
            
            
              stimmten Stellen kommt man damit eben
            
            
              in der Arbeitswelt nicht weiter.
            
            
              Verdienen Sie weniger als Ihr Kollege?
            
            
              Mika:
            
            
              Ich glaube nicht. Das wäre ja noch
            
            
              schöner. Obwohl das nicht ungewöhnlich
            
            
              wäre. Ja, weil wir zu blöd sind, richtig
            
            
              hart zu verhandeln. Wir können nicht
            
            
              über unseren Schatten springen. Obwohl
            
            
              ich in meinen Büchern schreibe, Mädels,
            
            
              wir müssen da härter werden, mir fällt es
            
            
              unendlich schwer. Da muss ich mit mir
            
            
              selbst schimpfen.
            
            
              Inwiefern reicht eine selbstbewusste Ein-
            
            
              stellung aus, um Karriere zu machen?
            
            
              Mika:
            
            
              Frauen, die Karriere machen möch-
            
            
              ten, wissen, dass sie sich voll reinhän-
            
            
              gen müssen. Die Gemeinheit ist, dass
            
            
              sie es so gut wissen, dass sie bereit sind,
            
            
              mit ihrem Privatleben auf eine Art und
            
            
              Weise für ihre Karriere zu zahlen, wie es
            
            
              von keinem Mann verlangt wird. Denn
            
            
              viele Frauen verzichten ja dann auf Fa-
            
            
              milie. Deshalb müssen wir das Private,
            
            
              also das, was Frauen selbst tun können,
            
            
              immer zusammen denken mit dem Poli-
            
            
              tischen, also den Strukturen. Denn auch
            
            
              wenn sich Frauen noch so sehr anstren-
            
            
              gen, es gibt immer noch Dinge, an denen
            
            
              sie scheitern. Und zwar auch diejenigen
            
            
              Frauen, die sich privat völlig „richtig“
            
            
              verhalten. Und weil die Strukturen so
            
            
              mistig sind, wie sie sind, wird dann von
            
            
              Frauen auch noch verlangt, dass sie we-
            
            
              sentlich mehr leisten.
            
            
              Was können Unternehmen tun, damit
            
            
              sich an den Strukturen etwas ändert?
            
            
              Mika:
            
            
              Zum einen sollten sie Familien-
            
            
              freundlichkeit nicht als Frauending ver-
            
            
              stehen. Wenn Unternehmen einen Be-
            
            
              triebskindergarten anbieten, dann sagen
            
            
              manche doch glatt, dieser Betriebskinder-
            
            
              garten ist für unsere Arbeitnehmerinnen.
            
            
              Als hätten die Kinder keine Väter. Bei
            
            
              allem, was eine unmittelbare Verknüp-
            
            
              fung von Mitarbeiter und Familie im Un-
            
            
              ternehmen herstellt, sollten sie deutlich
            
            
              machen, dass das für Männer und Frauen
            
            
              gilt. Sie können zeigen, dass sie von ihren
            
            
              Vätern im Unternehmen erwarten, dass
            
            
              sie in Elternzeit gehen.
            
            
              Ich kann Ihnen aus meiner eigenen Posi-
            
            
              tion als Arbeitgeberin in einer Redaktion
            
            
              sagen: Viele Männer gehen als Männer
            
            
              in die Elternzeit und kommen als Men-
            
            
              schen zurück. Zum anderen ist es wich-
            
            
              tig, dass Frauen, die beruflich aussetzen,
            
            
              weder positiv noch negativ diskriminiert
            
            
              werden, wenn sie wieder in den Beruf
            
            
              einsteigen wollen. Solange Frauen allein
            
            
              in Teilzeit gehen, ist das ein absoluter
            
            
              Pferdefuß. Männer und Frauen sollten
            
            
              ihre Jobs reduzieren, aber beide nicht so
            
            
              viel, dass sie das ihre Qualifikation, ihr
            
            
              Einkommen und ihre Aufstiegschancen
            
            
              kostet.
            
            
              Wie sieht es mit der Weiterbildung von
            
            
              Frauen aus?
            
            
              Mika:
            
            
              Wenn Frauen einen Teilzeitjob
            
            
              haben, bekommen sie deutlich weniger
            
            
              Fortbildungsmaßnahmen. Wenn sie dann
            
            
              auch noch gering qualifiziert sind, dann
            
            
              ist es mit Qualifizierung ganz aus. Das
            
            
              führt dann auch dazu, dass Frauen, wenn
            
            
              sie solche Erfahrungen machen, frustriert
            
            
              sind und ihren Job quasi wie nebenbei er-
            
            
              ledigen. Ein Drittel aller Frauen, die nach
            
            
              einer längeren Auszeit in den Job wieder
            
            
              einsteigen, steigen wieder aus, weil sie
            
            
              keine Chancen sehen.
            
            
              Sie haben ein Buch geschrieben über das
            
            
              Älterwerden von Frauen. Was bedeutet
            
            
              diese Andersbehandlung für Frauen,
            
            
              wenn sie in die Jahre kommen?
            
            
              Mika:
            
            
              Da wird es noch einmal besonders
            
            
              deutlich. Es gibt eine Untersuchung des
            
            
              Bundesfamilienministeriums im deutsch-
            
            
              sprachigen Raum. Da haben Frauen in
            
            
              Führungspositionen gesagt, mit Ende 40,
            
            
              Anfang 50 ist bei uns die Aufstiegslei-
            
            
              ter zu Ende. Wenn Frauen ein gewisses
            
            
              Alter erreicht haben, was lächerlich ist
            
            
              angesichts unserer Lebenszeit und un-
            
            
              serer Lebensarbeitszeit, haben sie keine
            
            
              Möglichkeit mehr weiterzukommen. Bei
            
            
              Frauen setzt die Altersdiskriminierung im
            
            
              Beruf nicht nur früher, sondern sehr viel
            
            
              schärfer an.
            
            
              Sie haben aber doch auch jenseits
            
            
              der 50 nun noch einmal einen neuen
            
            
              Karriereschritt gemacht. Sind Sie nur die
            
            
              Ausnahme von der Regel?
            
            
              Mika:
            
            
              Das, was ich jetzt mache, dass ich
            
            
              mit 60 noch einmal in einen Führungs-
            
            
              job neu eingestiegen bin, das kommt so
            
            
              gut wie nie vor. Und Männer? Die kön-
            
            
              nen sogar noch Mitte 70 sein und da wird
            
            
              ihnen noch ein hoch dotierter und höchst
            
            
              verantwortlicher Managementjob ange-
            
            
              boten. Die allermeisten Männer in den
            
            
              Aufsichtsräten der deutschen Unterneh-
            
            
              men haben das Rentenalter längst über-
            
            
              schritten.
            
            
              Also haben Sie einfach mal wieder Glück
            
            
              gehabt.
            
            
              Mika:
            
            
              Ja, das ist im Beruf immer so: Vie-
            
            
              les ist eigenes Vermögen und Verdienst,
            
            
              aber es kommen auch immer Glück und
            
            
              Zufall, am richtigen Zeitpunkt am richti-
            
            
              gen Ort zu sein, dazu. Wer behauptet, er
            
            
              hätte bestimmte Leistungen nur aus ei-
            
            
              genem Vermögen erbracht, der sagt nicht
            
            
              die Wahrheit. Chancengleichheit für Män-
            
            
              ner und Frauen im Beruf – dafür brau-
            
            
              chen wir gesellschaftliche Veränderun-
            
            
              gen, Glück und die Einsicht, uns selbst
            
            
              am Schopf zu packen und die Chancen
            
            
              auch zu nutzen. Das kann man nicht aus-
            
            
              einanderdividieren.
            
            
              Interview: Stefanie Hornung