Seite 33 - wirtschaft_und_weiterbildung_2014_10

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10_2014
wirtschaft + weiterbildung
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• Sie arbeiten bevorzugt in Netzwerken
und nicht in einer hierarchisch struktu-
rierten Umgebung.
• Die Work-Life-Balance ist ihnen sehr
wichtig.
• Sie wollen selbstbestimmt leben und
arbeiten und ihre Arbeitszeiten und
-inhalte frei bestimmen.
Daraus leiten Experten oft die Forderung
ab: „Die Firmen müssen umdenken. Sie
müssen die starren Hierarchien abschaf-
fen.“ Sie sollten zum Beispiel die jungen
Arbeitnehmer „selbst entscheiden las-
sen, wann und wo sie arbeiten“. Und sie
müssten dafür sorgen, dass sie nicht den
Spaß an der Arbeit verlieren.
Angepasste Individuen oder
rebellische Geister?
Das Problem mit solchen phänomenolo-
gischen Beschreibungen ist: Sie sind stets
teilweise zutreffend. Selbstverständlich
gibt es Jung-Erwachsene wie die beschrie-
benen. Doch prägen sie die nachrückende
Generation von Arbeitskräften? Nein! Das
zeigt allein schon die Tatsache, dass viele
der nach 1980 geborenen Frauen und
Männer heute bereits zu den Leistungs-
trägern in den Unternehmen zählen –
selbst wenn sie noch nicht die oberste
Führungsebene erklommen haben. Stellt
die nachrückende Generation wirklich
„alles in Frage“? Bei einer solchen Aus-
sage müssten sich eigentlich alle (Perso-
nal-)Manager vor Lachen schütteln, die
sich noch an die 70er- und 80er-Jahre
des vergangenen Jahrhunderts erinnern
können. Damals stellten wirklich weite
Teile der Jugend in den westlichen In-
dustrienationen – von der Arbeiterjugend
bis zum akademischen Nachwuchs – das
Gesellschafts- und Wirtschaftssystem
sowie das tradierte Wertesystem und das
verhasste „Establishment“ infrage und
suchten nach alternativen Lebensformen.
Doch heute? Heute ist von einem solch
rebellischen Geist weit und breit nichts zu
spüren. Zugegeben, es gibt einige Jung-
Erwachsene, die sich vegan ernähren und
als Großstadtbewohner auf ein Auto ver-
zichten. Und selbstverständlich gibt es
einige Jung-Erwachsene, die keinen Full-
time-Job möchten, weil sie noch in einer
Band spielen. Und einige unterzeichnen
im Internet sogar Tier- und Klimaschutz-
Petitionen. Doch stellen sie das Wirt-
schaftssystem grundsätzlich infrage? Geht
von ihnen eine ernsthafte Bedrohung der
Strukturen in den Unternehmen aus?
Die Personalverantwortlichen in den Un-
ternehmen konstatieren meist das Gegen-
teil: Das Gros der nachrückenden Jung-
Erwachsenen ist extrem angepasst. Sie
haben zum Beispiel das Leistungsprinzip
voll verinnerlicht. Entsprechend stringent
absolvieren sie ihre Studien und planen
sie ihre beruflichen Biografien. Und das
hierarchische Prinzip in den Unterneh-
men? Hiergegen opponieren sie nicht. Sie
ordnen sich in das bestehende System
klag- und reibungslos ein. Und keines-
wegs sind sie rebellische Geister, deren
oberste Maxime Selbstverwirklichung
ist. Sie fragen vielmehr oft schon im Vor-
stellungsgespräch: Wie sicher ist der Ar-
beitsplatz langfristig? Und: Wie sieht es
mit der betrieblichen Altersvorsorge aus?
Fragen, die vor 30 Jahren in Vorstellungs-
gesprächen (fast) undenkbar gewesen
wären, weil damals die Jung-Erwach-
senen die Frage „Was ist in 40 Jahren?“
noch nicht interessierte.
Viele Personalchefs sind
verunsichert
Solche Fragen erschienen erst an ihrem
Horizont, wenn aus den Berufseinstei-
gern allmählich Väter und Mütter wur-
den, die abends bei einem Glas Wein
zwar von ihrer wilden Vergangenheit
träumen, aber tagsüber brav ihren Beitrag
zur Steigerung des Bruttosozialprodukts
leisten. Das einzige Verhalten, das bei
der nachrückenden Generation das Be-
stehende alt aussehen lässt, ist ihre Art
zu kommunizieren. Denn die modernen
Informations- und Kommunikationstech-
nologien sind ein integraler Bestandteil