personal- und organisationsentwicklung
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wirtschaft + weiterbildung
10_2014
und nachher vorhanden sind, kann Bil-
dungscontrolling überhaupt ansetzen.
Arbeitsrealität im Mittelpunkt
Um das neu erlangte Wissen aus Bil-
dungsmaßnahmen bestmöglich in den
Arbeitsalltag einzubringen und nach-
zuhalten, hat der Munich-Re-Konzern
2011 ein mehrstufiges Modell für einen
besseren Lerntransfer bei seinen Verhal-
tens- und Methodentrainings entwickelt.
Dafür hat der Personalbereich von Mu-
nich Re eine grundlegende Entscheidung
getroffen und sich zur Optimierung des
Outputs gegen einfache Präsenztrai-
nings und für mehrstufige Lernprozesse
entschieden. Das Tochter-Unternehmen
Ergo Versicherungsgruppe nutzt dieses
Modell bei rund 85 Prozent seiner Weiter-
bildungsmaßnahmen im Soft-Skill- und
Methodenbereich, um den Lernerfolg sei-
ner Mitarbeiter zu optimieren, und erhält
von den Teilnehmern durchweg positives
Feedback. Der Prozess basiert auf gängi-
gen Lernmodellen, erweitert diese aber
um eine explizite Transferunterstützung.
Dieses sogenannte „Shift“-Modell steht
für eine feste Abfolge von Lernschritten:
Selbstlernen, Hilfe und Instruktion, Feld-
test, Transferunterstützung sowie dauer-
hafte Anwendung des Erlernten am Ar-
beitsplatz.
Jedes Seminar beginnt mit einer Start-E-
Mail des Trainers, in der die Teilnehmer
Aufgaben zugewiesen bekommen, die sie
vor dem Start der Präsenzphase zu erle-
digen haben. So sollen die Teilnehmer
zum Beispiel selbstständig Situationen
aus ihrem Berufsalltag reflektieren und
aufschreiben, die sie durch die Weiter-
bildungsmaßnahme verbessern wollen.
Zudem erarbeiten sie sich in der Regel
vorab mit schriftlichen Lernmaterialien
und E-Learning-Programmen einschlä-
giges Vorwissen oder bearbeiten erste
Lernfälle. So erwerben Teilnehmer not-
wendige kognitive Inhalte und überlegen
sich, wie sie von der späteren Präsenz-
Einheit maximal profitieren. Die gesamte
Vorbereitung lassen sie dem Trainer zu-
kommen, der den Präsenzteil damit op-
timal an die Teilnehmerbedürfnisse an-
passen kann. Besonders wichtig ist, dass
Teilnehmer mit der Eigenleistung in der
Selbstlernphase aus dem Seminar einen
wesentlich höheren Nutzen ziehen kön-
nen, da sie bereits wissen, wo und wie
sie das Erlernte anwenden werden und
auch schon über notwendiges Vorwissen
verfügen. Der Präsenzteil selbst besteht
überwiegend aus Fallbearbeitung und
Übungen, also der ersten Anwendung des
Gelernten auf Praxisfälle. Seine Durch-
führung ist flexibel: So hat Ergo beispiels-
weise festgestellt, dass sich bei bestimm-
ten Themen und Zielgruppen Webinare
als alternative Lernform zu klassischen
Präsenztrainings anbieten.
Nach dem Präsenzteil gilt es, die neu
erworbene Kompetenz in der Praxis an-
zuwenden. In dieser Phase erkennen die
Teilnehmer, welche Inhalte oder Techni-
ken sie noch nicht oder nur unzureichend
beherrschen und merken diese für die
Transferunterstützung vor. Lerngruppen
oder Lerntandems, die bereits im Seminar
gegründet werden, unterstützen diesen
Teil des Lernprozesses und erhöhen die
Verbindlichkeit zur Umsetzung des Ge-
lernten im Arbeitsalltag. Weitere Transfer-
maßnahmen wie Transfertage, Coachings
oder Ähnliches sind feste Bestandteile des
Lernprozesses und müssen bei der An-
meldung mitgebucht werden. Während
dieser Maßnahmen können die Teilneh-
mer Fälle und damit verbundene Schwie-
rigkeiten, die in der Praxis aufgetreten
sind, thematisieren, Lösungen erarbeiten
und Expertentipps vom Trainer einholen,
um das Gelernte für die dauerhafte An-
wendung in der Praxis zu festigen.
Anstatt theoretischer Wissensvermitt-
lung stehen beim „Shift“-Modell also
Praxisthemen mit Bezug zur Arbeitsre-
alität des Mitarbeiters im Mittelpunkt.
Um die praktische Komponente zu stär-
ken, führte Munich Re gleichzeitig eine
systematische Lerntransfermessung ein:
Zusätzlich zu dem elektronischen Feed-
backbogen am Seminarende erhält jeder
Teilnehmer acht Wochen nach einem Se-
minar einen elektronischen Fragebogen
zum Lerntransfer. Hier soll der Mitarbei-
ter angeben, inwieweit er das Erlernte
am Arbeitsplatz anwendet. Zudem soll
er Beispiele geben und erläutern, was
den Transfer gefördert beziehungsweise
behindert hat. Die Ergebnisse der Trans-
ferfragebögen verwendet die Personalent-
wicklung, um die Methodik der Lernan-
gebote weiter zu optimieren.
Nachhaltigkeit sicherstellen
Auch das Unternehmen BSH Bosch und
Siemens Hausgeräte beschäftigt sich
bereits seit mehreren Jahren mit dem
Thema „Lerntransfer“. Um diesen zu
verbessern, hat die Gruppe im vergange-
R
Benchmarking.
Unternehmen und Organisationen, die
ein besonders vorbildliches Bildungs- und Talentmanage-
ment implementiert haben oder Tipps zum strategischen
Aufbau eines solchen Systems erhalten möchten, können
sich noch bis zum 31. Oktober 2014 um den Deutschen
Bildungspreis 2015 der Tüv Süd Akademie und EuPD
Research Sustainable Management bewerben.
Jeder Teilnehmer erhält einen kostenlosen, individuellen
Benchmark des eigenen Bildungs- und Talentmanage-
ments im Vergleich zu den anderen Bewerbern sowie ein
individuelles Feedbackgespräch.
Die Teilnahme am Deutschen Bildungspreis ist kostenfrei
und wird vertraulich behandelt. Die Gewinner werden im
Frühjahr 2015 in Berlin ausgezeichnet.
Informationen sowie die nötigen Bewerbungsunterlagen
gibt es im Internet unter
Deutscher Bildungspreis 2015