10_2014
            
            
              wirtschaft + weiterbildung
            
            
              21
            
            
              professionellen Turnieren die Wertungen
            
            
              nahe beieinander – weil es eben fest-
            
            
              gelegte Kriterien gibt. Bevor ein Vorge-
            
            
              setzter anfängt zu kritisieren, sollten er
            
            
              und die Organisation, in der er arbeitet,
            
            
              Kriterien für eine Leistungsbeurteilung
            
            
              festgelegt haben. Würde ein Chef diese
            
            
              Kriterien in bestimmten Fällen über Bord
            
            
              werfen und zu einer reinen Sympathiebe-
            
            
              wertung übergehen, dann würde er der
            
            
              gesamten Unternehmenskultur und der
            
            
              Glaubwürdigkeit des Führungssystems
            
            
              schaden. Llambi: „Nur durch die Orien-
            
            
              tierung an professionellen, transparenten
            
            
              Kriterien wird Kritik zu einem seriösen
            
            
              Führungsinstrument.“
            
            
              4 Leistung mit einem fairen
            
            
              Maßstab beurteilen.
            
            
              „Kritik findet nicht im luftleeren Raum
            
            
              statt“, ergänzt Llambi. Es gibt nicht nur
            
            
              ewig gültige Kriterien für die Qualität. Es
            
            
              gibt auch Maßstäbe – und die ändern sich
            
            
              im Laufe der Jahre. Ein Europameister,
            
            
              der vor 30 Jahren gekürt wurde, wäre
            
            
              heute mit dem Tanzstil von damals chan-
            
            
              cenlos auf dem Parkett. Heute tanzen die
            
            
              Profis einfach anders – dynamischer und
            
            
              akrobatischer. Die Kriterien der Tanz-
            
            
              richter sind dieselben geblieben, aber
            
            
              ihr Maßstab hat sich geändert. Llambi:
            
            
              „Wie jede Sportart ist das Niveau auch im
            
            
              Tanzsport kontinuierlich gestiegen. Ge-
            
            
              messen an den heutigen Spitzentänzern
            
            
              waren die Turniere in den Achtzigern
            
            
              gemütliche Teekränzchen.“ Ein anderes
            
            
              Beispiel: Wenn ein Ehemann für seine
            
            
              Frau das beste Menü kocht, das er je
            
            
              hinbekommen hat, verdient er quasi die
            
            
              „Bestnote“. Es wäre ausgesprochen un-
            
            
              fair, wenn seine Frau an das Menü den
            
            
              Maßstab anlegen würde, der für einen
            
            
              international ausgebildeten Sternekoch
            
            
              gilt. Ein guter Kritiker kennt laut Llambi
            
            
              nicht nur die Kriterien, sondern auch
            
            
              den Maßstab, mit dem gemessen werden
            
            
              sollte. Er ist also in der Lage, die Leistung
            
            
              ins rechte Verhältnis zu setzen. Für ehr-
            
            
              liche Kritik ist beides ausschlaggebend:
            
            
              transparente Kriterien und ein gerechter
            
            
              Maßstab. „Ich kann Promis an densel-
            
            
              ben Kriterien wie die Profis messen, aber
            
            
              nicht denselben Maßstab ansetzen“, fasst
            
            
              Llambi zusammen. „Ehrliche Kritik setzt
            
            
              die individuelle Leistung zu einem fairen
            
            
              Maßstab ins Verhältnis.“
            
            
              5 Gute Kritik enthält motivie-
            
            
              rende Komponenten.
            
            
              Das Gegenteil von einer gelungenen
            
            
              Kritik ist laut Llambi der Verriss. Kritik
            
            
              dient dazu, den Kritisierten zu fördern.
            
            
              Der Verriss will ihn demotivieren und
            
            
              zur Aufgabe zwingen. Ein Beispiel: Ein
            
            
              Verkaufsleiter erkennt, dass die Verkaufs-
            
            
              künste eines Außendienstmitarbeiters
            
            
              noch ausbaufähig sind. Ihn zu kritisieren
            
            
              hat den Zweck, seine Leistung zu stei-
            
            
              gern. Der Let‘s-Dance-Juror empfiehlt,
            
            
              dem Verkaufsleiter, Folgendes zu sagen:
            
            
              „Ich glaube, dass bei Ihrer Abschluss-
            
            
              quote noch Luft nach oben ist. … Die
            
            
              Kollegen Müller und Schmidt haben bei
            
            
              vergleichbar vielen Kundenkontakten pro
            
            
              Monat im Schnitt eine 30 Prozent höhere
            
            
              Abschlussquote.“ Wer als Kritiker etwas
            
            
              erreichen will, sollte seiner Kritik also
            
            
              immer eine motivierende Komponente
            
            
              beimischen. Auch das Lob („Ich glaube,
            
            
              dass bei Ihrer Abschlussquote noch Luft
            
            
              nach oben ist“) gehört zur Kritik dazu,
            
            
              wenn es ehrlich gemeint ist. Wirkungslos
            
            
              ist, Vorschusslorbeeren zu verteilen oder
            
            
              unbegründetes Lob zu spenden, das jeder
            
            
              Verhältnismäßigkeit spottet.
            
            
              6 Gute Kritik enthält kon-
            
            
              struktive Lösungsansätze.
            
            
              Der eben erwähnte Außendienstmitarbei-
            
            
              ter hat bis jetzt nur verstanden, dass sich
            
            
              etwas tun muss. Eine Idee, was er tun
            
            
              muss, hat er noch nicht. „Ihren Job als
            
            
              Kritiker haben Sie erst richtig gemacht,
            
            
              wenn Ihr Mitarbeiter eine Anregung aus
            
            
              dem Gespräch mitnimmt, wie er sich
            
            
              verbessern könnte“, betont Llambi. Ein
            
            
              Kritiker, der sein Gegenüber fördern will,
            
            
              muss auch bereit sein, mit ihm Ursachen-
            
            
              forschung zu betreiben und Lösungen
            
            
              kontrovers zu diskutieren. Vielleicht traut
            
            
              der Mitarbeiter sich nicht, hartnäckig An-
            
            
              gebote nachzufassen (Coaching empfeh-
            
            
              len?). Oder es mangelt generell an rhe-
            
            
              torischen Fähigkeiten (Training buchen?).
            
            
              Oder der Verkäufer ist vom Produkt nicht
            
            
              überzeugt und würde lieber in die Pro-
            
            
              duktentwicklung wechseln (Personalab-
            
            
              teilung einschalten?). „Je konkreter die
            
            
              Kritik und die Verbesserungsvorschläge,
            
            
              desto größer die Chance, dass der Kriti-
            
            
              sierte bessere Leistungen zeigt“, ist sich
            
            
              Llambi sicher. „Konstruktive Kritik be
            
            
              inhaltet konkrete Lösungsansätze.“
            
            
              Llambi wurde bei „Let‘s Dance“ dadurch
            
            
              berühmt, dass er aussprach, wie etwas
            
            
              besser geht. Mit Nachdruck pocht er in
            
            
              seinem Buch und bei seinen Vorträgen
            
            
              darauf, dass Kritiker kompetent sein
            
            
              sollten. „Nur ein Experte kann objektiv,
            
            
              fair und konstruktiv kritisieren“, sagt
            
            
              Llambi. „Denn nur ein Experte hat das
            
            
              Wissen und die Erfahrung, die dafür not-
            
            
              wendig sind.“ Fachliche Kompetenz bilde
            
            
              die Voraussetzung, um Kritik gezielt als
            
            
              Führungskompetenz einzusetzen. „Ein
            
            
              guter Chef sagt Ihnen nicht nur, dass Sie
            
            
              auf dem Holzweg sind. Er zeigt Ihnen
            
            
              auch, welchen Weg Sie stattdessen ein-
            
            
              schlagen können.“
            
            
              7 So deutlich aber auch so
            
            
              wohlwollend wie möglich.
            
            
              Obwohl die gleichen Kriterien und der
            
            
              gleiche Maßstab für alle gelten, wird ein
            
            
              Kritiker nicht alle seine Mitarbeiter gleich
            
            
              behandeln. Für Llambi liegt es in der
            
            
              Natur der Sache, dass ein Vorgesetzter
            
            
              die Mitarbeiter mit Potenzial intensiver
            
            
              beobachtet und durch eine aufbauende,
            
            
              wohlwollende Kritik mehr fördert als
            
            
              zum Beispiel die Leistungsverweigerer,
            
            
              die es in jedem Team auch gibt. „Wer
            
            
              sich mehr steigert als andere, verdient
            
            
              auch ein dickeres Lob und eine aufbau-
            
            
              ende Kritik“, so der Chef-Juror. „Deshalb
            
            
              muss man die, die nur konstante Leistung
            
            
              bringen, ja nicht gleich abwatschen.“
            
            
              Es gilt: „Ein ehrlicher Kritiker formuliert
            
            
              R
            
            
              Buchtipp.
            
            
              Joachim Llambi: „Das wollte ich
            
            
              Ihnen schon immer mal sagen“, Econ-Ver-
            
            
              lag, Berlin 2014, 251 Seiten, 16,99 Euro