Seite 48 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_01

Basic HTML-Version

48
wirtschaft + weiterbildung
01_2013
arbeitsschutzrechtliche Verankerung von
Betriebspsychologen analog zu Betriebs­
ärzten in Unternehmen gefordert wird,
dann könnte man Mahlmanns Angst vor
einer Überpsychologisierung eventuell
nachvollziehen. Aber beim „Report Psy­
chologie“ handelt es sich um das Medium
des größten deutschen Psychologenver­
bands, der manchmal öffentlichkeits­
wirksam für seine Legitimation wirbt. Wo
um Himmels willen ist es aber tatsächlich
in der Wirtschaft so, dass Mitarbeiter ein
„Rundumsorglospaket“ von ihrem Chef
erwarten können?
Wo gibt es Massage oder Psychothera­
pie vom Vorgesetzten nach dem Motto:
„Hier hypnotisiert der Chef persönlich?“.
Ich habe solche Betreuungsverhältnisse
weder als Führungskraft in den Unter­
nehmen, für die ich gearbeitet habe, noch
als selbstständiger Coach und Organisati­
onsberater in der Wirtschaft angetroffen.
Dass sich Unternehmen wegen der demo­
graphischen Entwicklung Gedanken um
die Attraktivität ihrer Arbeitsplätze ma­
chen, bedeutet noch nicht, dass sie sich
gleich in Wellness-Oasen verwandeln.
Nicht das Kind mit dem Bade
ausschütten
Mahlmann möchte eine Diskussion an­
stoßen, das ist ehrenwert und aus der
Sicht eines psychologischen Fachmannes,
für den ich mich nach 20 Jahren Berufs­
erfahrung halten darf, beweist sie ein
durchaus gutes Überblickswissen über
die Materie, sowohl was die psychothera­
peutischen Strömungen des letzten Jahr­
hunderts als auch was die Schnittstelle
Wenn es nach Regina Mahlmann geht,
dann kann man die Psychologie als eine
Droge betrachten, die seit 70 Jahren die
Unternehmen und die Köpfe der Füh­
rungskräfte umnebelt. Entzug ist daher
angesagt, um von diesem Übel zu gene­
sen. Immer und immer wieder beschwört
sie, fast gebetsmühlenartig, auf den ers­
ten 170 Seiten ihre Argumentation: Die
Personalabteilungen habe den Führungs­
kräften eine ständig wachsende Anzahl
psychologischer Versorgungspflichten „in
ihr Führungspflichtenheft geschrieben“
und sie so quasi zu wehrlosen Eltern ge­
macht, die für ihre Mitarbeiter wie für
maßlose Kinder zu sorgen hätten.
Wenn man zum Beispiel Julia Scharn­
horsts Artikel „Burnout – die neue Volks­
krankheit?“ im „Report Psychologie“
(11/12 - 2012) liest, in dem am Ende die
Soziologin warnt
vor zu viel
Psychologie im
Business
Rezension.
Deutschlands Führungskräfte werden immer stärker in die Rolle eines
Therapeuten ihrer Mitarbeiter gedrängt, behauptet die Soziologin Dr. Regina Mahlmann
in ihrem im September 2012 erschienenen Buch „Unternehmen in der Psychofalle.
Mein Coach. Mein Therapeut. Mein Chef“. Wir haben einen Business Coach um eine
Einschätzung dieser Streitschrift gebeten.
training und coaching