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01_2013
wirtschaft + weiterbildung
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„Wenn Polter-Peer schimpft, ist das gut, aber die Dosis ist wichtig!“
Analyse.
„Steinbrück fehlt Charisma“, meint Andreas Bornhäußer,
Chef der Präsentainment Group GmbH, Berlin. Er ist Performance-
Coach und Autor des Buchs „Das Key-Motion Prinzip“, das den
Einsatz von „Schlüsselemotionen“ in Präsentationen beschreibt.
In einem in den 60er Jahren veröffentlich-
ten Werbespot wurde für einen Pfeifenta-
bak mit dem markigen Slogan geworben:
„Drei Dinge braucht der Mann: Feuer,
Pfeife, Stanwell“. Das war ein Slogan, der
an’s Herz des Machos appellierte. Ähnlich
markig sind auch die Sprüche des Peer
Steinbrück, zu dem das Etikett „rheto-
rischer Polter-Peer“ gut passt.
Die Süddeutsche Zeitung (SZ) schreibt in
der Wochenendausgabe vom 24. Novem-
ber 2012, dass sein Start als designierter
Kanzlerkandidat vermasselt sei. Dem Tenor
des gesamten Artikels zufolge ist dies vor
allem zurückzuführen auf die zahlreichen
negativen Berichterstattungen anlässlich
seiner gut bezahlten Reden. Ist das aber
tatsächlich die originäre Ursache für seinen
Absturz in der Beliebtheitsskala der deut-
schen Wähler?
Die SZ schreibt weiter: „Aber Steinbrück
will eines ganz und gar nicht – sich selber
ändern. Er gehe als Kandidat nicht auf
Ranschmeiße.“ Ohne die Gunst der Wäh-
ler geht es aber nicht. Und wer nicht um
sie wirbt, wird sie kaum gewinnen. Wer
kritische Journalisten auf offener Bühne
in die Schranken weist mit Formulierungen
wie „Sie haben ein Glaskinn. Sie erwarten
von Politikern Selbstreflektion und Selbst-
kasteiung. Aber wenn es dann Retourkut-
schen gibt, ist man dann beleidigt“, der
muss sich nicht wundern, wenn ihm ein
eisiger Wind entgegenbläst,
Mit rhetorischer Brillanz alleine kommt
Steinbrück nicht ins Kanzleramt
Rhetorik ist „die Kunst der freien Rede
durch das gesprochene Wort und die das
Wor t unterstützende Körpersprache.“
Wenn ich Steinbrücks Auftritte in den ver-
schiedenen Kontexten analysiere, kann
ich seiner rhetorischen Kompetenz durch-
aus mit Respekt begegnen: geschliffene
Worte, vorbildlicher Redefluss, markante
Sprachbilder, variantenreiche Betonung,
hörbare Stimmgewalt, prägnante Artikula-
tion, spürbare Körperspannung, kultiviertes
Erscheinungsbild, ausgeprägte Gebärden.
Und doch fehlt es an dem gewissen Etwas.
An dem, was einem Menschen die gewin-
nende Ausstrahlung verleiht. Es fehlt das
Charisma. Peer Steinbrück sollte folgende
Anregungen beherzigen, um Charisma zu
entwickeln. Drei Dinge braucht der Mann:
1
Öfter mal lächeln.
Dank seiner brillanten Rhetorik erfüllt Peer
Steinbrück einige wichtige Erfolgskriterien.
Wäre da nicht seine Mimik. Sie bringt sel-
ten Wertschätzung oder Wohlwollen zum
Ausdruck. Ihre Anmutung ist tendenziell
eher herablassend. Positive Ausstrahlung
ist aber eben auch eine Frage der Mimik.
Ein gezieltes Mundwinkeltraining könnte
Peer Steinbrück helfen. Öfter mal lächeln
kostet nichts und bringt viel. Vor allem
macht es sympathisch. Gemeint ist die
ehrlich wirkende Fröhlichkeit, bei der die
Mundwinkel nach oben gehen und sich die
Lachfältchen um die Augen vertiefen.
2
Provokationen besser dosieren.
Es mag ja seine inhaltliche Berechtigung
haben, wenn der Kanzlerkandidat mit den
Managern großer Bankinstitute hart ins
Gericht geht und mehr gesellschaftliches
Verantwortungsbewusstsein einklagt. Aber
wer Menschen zur Bewusstseins- und Ver-
haltensveränderung bewegen will, ist bes-
ser beraten ihnen aufzuzeigen, was sie
von dieser Veränderung haben, als ihnen
vorzuhalten, was sie alles falsch machen.
Die Dosis der Provokation macht den Unter-
schied. Poltern ist durchaus richtig. Doch
die Dosis ist wichtig. Peer Steinbrück wirkt
unbequem. Das ist sicher auch wesent-
licher Bestandteil seines Profils. Es ist in
gewisser Weise sein Markenzeichen. Aber
in öffentlichen Auftritten kann, ja muss man
an anderen Menschen auch mal das eine
oder andere gute Haar lassen. Wertschät-
zung und Wohlwollen, das man seinem
Gegenüber zum Ausdruck bringt, kommt als
Wertschätzung und Wohlwollen zu einem
selbst zurück. Für den Kanzlerkandidaten
könnte die Wählergunst dadurch steigen.
3
Gelassener auf Kritik reagieren.
Steinbrück sollte mehr Gelassenheit zei-
gen. Keineswegs eine, die über andere
erhaben ist, sondern eher eine auf sich
selbst bezogene, in sich ruhende Gelas-
senheit. Seine sinngemäß wiedergegebene
Aussage „Es ist besser, wenn mir jetzt der
Wind ins Gesicht bläst, als kurz vor der
Wahl“ ist zwar ein Schritt in die richtige
Richtung. Aber seine zusammengepressten
Lippen bei diesem Satz erwecken nicht den
Eindruck gelassener Selbstreflektion. Sie
wirken vielmehr wie eine Kampfansage an
alle Kritiker. Druck erzeugt jedoch Gegen-
druck und nicht Sympathie.
Andreas Bornhäußer
Foto: präsentainment
Andreas Bornhäußer,
Performance-Coach
und Trainer