Seite 16 - wirtschaft_und_weiterbildung_2013_11-12

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wirtschaft + weiterbildung
11/12_2013
„Man sagt, dass ich
gute Fragen stellen
könne“
Interview.
Jay Conger, Professor of Leadership Studies am
Claremont McKenna College, gilt als einer der erfahrensten
amerikanischen Leadership-Experten. In diesem Sommer
beendete er seine Arbeit als Visiting Professor an der
London Business School. Im Interview mit unserer Autorin
Dr. Sabine Dembkowski, The Coaching Centre, Köln/London,
zieht er eine Bilanz seiner Arbeit.
Sie forschen und lehren seit über drei Jahrzehnten zum Thema
Leadership. Das Magazin „Businessweek“ zeichnete Sie aus
als „the best business school professor to teach leadership to
executives“. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Jay Conger:
Wenn man anderen etwas beibringen will, muss
man immer sehr zielgruppenorientiert denken und arbeiten.
Bevor ich mit der Konzeption eines Führungskräfteentwick-
lungsprogramms oder auch nur eines einzigen Seminars be-
ginne, führe ich Gespräche mit den Auftraggebern und wo
immer es möglich ist auch mit einigen ausgewählten Teilneh-
mern. Wenn die Teilnehmer das, was ich sage, nicht direkt am
nächsten Tag am Arbeitsplatz anwenden können, dann taugt
die ganze Veranstaltung nichts.
Das sollte doch selbstverständlich sein …
Conger:
Sollte es! Ist es aber nicht – besonders nicht im Jahr
2013! Viele Business Schools, aber auch ganz normale Trai-
ningsanbieter, haben ihre Standardkonzepte und die spulen
sie ab, denn damit erreichen sie die höchstmögliche Effizienz
ihres Lehrbetriebs. Die meisten Bildungsanbieter im Bereich
der beruflichen Bildung sind auf Gewinnmaximierung aus. Der
spezielle Zuschnitt von Programmen ist – wenn man hinter
die Kulissen schaut - nur in den seltensten Fällen wirklich ge-
geben. Für Manager wäre es effektiver, wirklich speziell zuge-
schnittene Programme zu bekommen, auch wenn sie mehr
dafür zahlen müssen. Viele Nachfrager lassen sich jedoch von
vordergründig günstig erscheinenden Angeboten blenden. Die
Anbieter machen durch den Absatz der Massenware Geld, die
Einkäufer in den Unternehmen sind zufrieden, weil sie ihr Soll
erfüllt und günstig eingekauft haben – nur die Teilnehmer be-
kommen nicht wirklich das, was sie für ihren Job benötigen.
Sie haben Anthropologie studiert und dann Wirtschafts-
wissenschaften in Harvard. Wie sehr konnten Sie sich für die
dortige Fallstudienpädagogik begeistern?
Conger:
Ich nutze in all meinen Seminaren und Programmen
Fallstudien und Experiential Learning Elements. Sie machen
das jeweilige Thema greifbar. Ich achte jedoch sehr darauf,
welche Fallstudien ich auswähle und bevorzuge Fallstudien,
die Fehler und Misserfolge darstellen und von den Heraus-
forderungen auf der mittleren Managementebene berichten.
Ansonsten läuft man Gefahr, dass die Teilnehmer der Illusion
erliegen, es sei ganz einfach, Manager zu sein. Es wird sie
nicht überraschen, dass ich auch immer direkt eine Brücke zu
der Arbeitsrealität der Teilnehmer in die Fallstudien einbaue.
Ich nehme mir also Zeit, entwickele mein eigenes Material und
ziehe Beispiele aus meinen Forschungsstudien heran. Die Teil-
nehmer spüren es, ob ein Professor sich die Mühe gemacht hat,
sein eigenes Material zu entwickeln oder ob er nur abspult,
was er anderswo gelesen hat. Außerdem sagt man, dass mein
Foto: The Coaching Centre