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04_2012
wirtschaft + weiterbildung
37
zweiten Gesenkschmiede der Fall. Die Fir-
men sind zwar unabhängig voneinander,
jedoch hatten manche Mitarbeiterinnen
oder Mitarbeiter die Befürchtung, nach
der Übernahme die Arbeit aus der ande-
ren Firma mit übernehmen zu müssen.
Auch nicht ausführlich genug kommen-
tierte Änderungen im Führungsverhal-
ten der Führungskräfte, welches auf die
eingangs beschriebenen Marktverände-
rungen zurückzuführen ist, führte zu Un-
sicherheit. Die Verhaltensänderungen des
Geschäftsführers und des Betriebsleiters,
weniger Zeit am Tag im Betrieb zu ver-
bringen, wurden seitens der Belegschaft
mit einer verringerten Wertschätzung
ihnen gegenüber beziehungsweise einem
geringeren Interesse an ihnen vermutet.
Aus den Punkten ergaben sich unter-
schiedliche Handlungsfelder:
Der vermuteten verringerten Wertschät-
zung begegnete der Geschäftsführer in
der Mitarbeiterversammlung offen. Er
sprach das Thema veränderte Markt- und
Kundenanforderungen an, welche einen
erhöhten Kundenkontakt erfordern. Er
formulierte daher das Vorhaben seitens
aller Führungskräfte, die Wertschätzung
zukünftig stärker im Betriebsalltag ver-
deutlichen zu wollen, obwohl die Prä-
senzzeiten der Führungskräfte im Betrieb
abnehmen. Aus den anderen beiden
aufgeführten „Informationsmängeln“
ergaben sich die Haupthandlungsfelder
„Kommunikation und Informationsfluss
in der Firma“.
Außerdem wurden in der Betriebsver-
sammlung von der Belegschaft angespro-
chene Verbesserungsvorschläge themati-
siert. Manche Hinweise wurden zunächst
auf eine Vorschlagsliste geschrieben, die
neben dem Tagesgeschäft nacheinander
überdacht und angegangen werden sol-
len. Zu jenen Vorschlägen zählten bei-
spielsweise die Ausweitung des Sportan-
gebots, Unterstützung bei der Raucher-
entwöhnung oder die Einführung einer
Rückenschule. Hierzu wurden bereits
Angebote eingeholt.
Umsetzung in die Betriebs-
praxis ist absolute Pflicht
Die Haupthandlungsfelder sollten the-
menspezifisch unterschiedlich behandelt
werden. Zur Bewältigung von vorange-
gangenen Informationsdifferenzen sollten
freiwillige Informationsveranstaltungen
angeboten werden. Zur Verhinderung
von zukünftigen Informationsdifferenzen
sollte eine neue Form der Informations-
vermittlung institutionalisiert werden.
Da bei der Übernahme der anderen Ge-
senkschmiede bei den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern Fragen, wie oben er-
läutert, unbeantwortet waren, bot der
Geschäftsführer eine freiwillige Informa-
tionsveranstaltung an, in der diese Fra-
gen geklärt werden sollten. Eine weitere
Informationsveranstaltung wurde von
der Buchhalterin des Unternehmens zur
Erläuterung der Akkordzuschläge der Be-
legschaft angeboten.
Aus den Überlegungen, wie künftig
Missverständnisse bei Informationen
verhindert werden können, entstand die
„Informationsrunde Betrieb“. Die Beleg-
schaft wurde in vier Gruppen eingeteilt.
Die Zusammensetzung der Gruppen er-
folgte unabhängig von dem eigentlichen
Arbeitsplatz oder der eigentlichen Abtei-
lung. Somit konnte gewährleistet werden,
dass die Kommunikation über den eigent-
lichen Wirkungskreis des Einzelnen hi-
naus geschehen musste. In jeder Gruppe
wurde ein Gruppensprecher bestimmt,
der in einer monatlichen Gesprächsrunde
mit den Gruppensprechern der anderen
Gruppen sowie dem Assistenten des Ge-
schäftsführers zusammenkommt. Ziel
der Informationsrunden ist die gegen-
seitige Vermittlung von Informationen.
Der Assistent des Geschäftsführers gibt
dabei Informationen der Geschäftsleitung
in den Betrieb. Die Gruppensprecher tra-
gen Informationen, die sie zuvor in ihrer
Gruppe gesammelt haben, über den Assi-
stenten an die Geschäftsleitung. Vorteile
dieser Form der Informationsvermittlung
gibt es einige:
• Das anonymisierte Herantragen von
Wünschen und Anregungen an den Ge-
schäftsführer, also eine Verbesserung
des Informationsflusses von und zur
Geschäftsleitung
• Gezieltes Informieren der Belegschaft
• Unverzügliche Beseitigung von Fragen
oder Unklarheiten
• Eine Erhöhung der Transparenz von
Entscheidungen und Veränderungen
• Eine Steigerung der Zufriedenheit be-
ziehungsweise des Betriebsklimas
durch Einbeziehung der Mitarbeiter.
In Bezug auf die Steigerung der Zufrie-
denheit beziehungsweise des Betriebs-
klimas zeigte sich ein besonderer Effekt,
der unmittelbar nach den Interviews und
noch vor der Auswertung derer zu beob-
achten war: Das Betriebsklima unterei-
nander schien sofort gelockert, sicherer
und insgesamt verbessert. Dies zeigt, was
allein auf die Partizipation und dadurch
vermittelte Wertschätzung bei den Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeitern bewirken
kann.
Die ergriffenen Maßnahmen sind wich-
tige Bausteine in dem beschriebenen Pro-
zess, einen entscheidenden Erfolgsfaktor
für Otto Röhrig dauerhaft und trotz Ver-
änderungen, zu stabilisieren: Das gute
Betriebsklima.
Ralf Zimmermann, Anna Lena Thomas
Ralf Zimmermann
ist Geschäftsfüh-
rer der Otto Röhrig
Gesenkschmiede
GmbH. Mit der Mit-
arbeiterbefragung hat er den Grundsatz
von Otto Röhrig „Mitarbeiter sind das
wichtigste Gut“ neu umgesetzt.
Schmalzgraben 7
42655 Solingen
Tel. 0212 599600
AUTOREN
Anna Lena
Thomas
ist seit 2009 Bera-
terin und Projekt-
leiterin bei der IGS
Organisationsberatung. Sie hat das
Projekt bei der Otto Röhrig Gesenk-
schmiede GmbH begleitet.
Augustinusstr. 11d
50226 Frechen-Königsdorf
Tel. 02234 933569-3