Seite 32 - wirtschaft_und_weiterbildung_2012_04

Basic HTML-Version

personal- und organisationsentwicklung
32
wirtschaft + weiterbildung
04_2012
ungeeignet. Viele können Kunden keine
individuellen Lösungen schneidern, son-
dern nur Provisionen kassieren. Bei der
Einrichtung eines solchen Systems benö-
tigt man ein enormes Fach-Know-how,
es geht um Vergütungssystematiken, Ar-
beits-, Sozialversicherungs- und Steuer-
recht. Insbesondere im Mittelstand fehlt
oft das Know-how und die Berater haben
dieses häufig auch nicht.“
Ries gibt ein Beispiel zur Kapitalanlage:
Werden Guthaben mit mehreren Jahren
Laufzeit gebildet, kann kurzfristig kein
Geld entnommen werden, weil die Ka-
pitalanlage das unter Umständen nicht
zulässt, da sie eine gewisse Wertentwick-
lung vorsieht. Dies führe zu stocksteifen
Lösungen, so Ries.
Resümee zum Langzeitkonto:
Flexi II hat abgeschreckt
Einige Unternehmen hat Flexi II tatsäch-
lich abgeschreckt, weiß Michael Klein,
Betriebsprüfer beim Finanzamt Trier: „Es
gab einige Prüfungsfälle zu Zeitwertkon-
ten. Nach 2009 hat sich das erledigt. Viele
Firmen reagieren zurückhaltend. Wir
warten ja immer noch auf flankierende
Schreiben des Bundesfinanzministeri-
ums. Beispielweise ist nicht klar, was in
den Bilanzen zu aktivieren oder zu passi-
vieren ist.“ Fraglich ist für ihn auch, ob es
genügend Beratungsexpertise am Markt
gibt. Das Thema gehöre in die Hände spe-
zialisierter Steuerberatungskanzleien.
Dass in jedem Fall Expertenwissen bei
diesem Thema vonnöten ist, zeigen auch
die Argumente von Christiane Flüter-
Hoffmanns, Projektleiterin der betrieb-
lichen Personalpolitik am Institut der
deutschen Wirtschaft Köln. Mit Blick auf
R
Aus den Erfahrungen mit Langzeitkonten lernen
Die Techniker Kran-
kenkasse (TK) bie-
tet seit 2006 Lang-
zeitkonten an. 20
Prozent der rund
10.500 Mitarbeiter
hätten das Angebot
bislang genutzt, sich
ohne Angabe von
Gründen freistellen
zu lassen, so Marco Backendorf, Referent für Gehalts-
abrechnung. Vor Beginn der technischen Umsetzung der
Langzeitkonten hatten die TK und die Gewerkschaft der
Sozialversicherung (GdS) die wesentlichen Anforderungen
in einem Tarifvertrag vereinbart. Unter anderem wurde die
Freiwilligkeit der Teilnahme festgelegt und mögliche zu
sparende und zu entnehmende Lohnanteile – Arbeitszeit,
Urlaubstage über den gesetzlichen Anspruch hinaus, Über-
stunden ohne Zuschlag, Sonderzahlung, Prämien, Jubilä-
umszuwendungen et cetera. Die TK sichert das angesparte
Wertguthaben der Mitarbeiter über eine Treuhandlösung
in Form eines „Contractual Trust Arrangements“ (CTA):
Guthaben werden auf einen externen Treuhänder übertra-
gen. Dieser ist ein eingetragener Idealverein, der allein für
die TK die Vermögensanlage vornimmt. Dies bewog die
Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht von der
Erlaubnispflicht nach dem Kreditwirtschaftsgesetz abzu-
sehen.
Modelle.
Lernzeitkonten sind im Prinzip zu behandeln wie Langzeitkonten mit dem alleinigen
Zweck, dass Mitarbeiter die angesparte Zeit in Weiterbildung selbst investieren. Solche
Langzeitkonten sind in vielen Unternehmen schon im Einsatz. Aus den Erfahrungen und
Modellen lässt sich vieles für die Einführung von Lernzeitkonten ableiten.
Beim Energieunternehmen MVV Energie AG führen 120
von 1.600 Beschäftigten ein Langzeitkonto. Von diesen
haben sich 20 über ihr Guthaben freistellen lassen. Über
die Einführung berichtet Thorsten Echterhof, Leiter des
Competence Centers HR: „Wir sind lange im Voraus in
verschiedene Gespräche gegangen, um zu erfragen, ob
überhaupt Interesse an diesem Arbeitszeitmodell im Unter-
nehmen besteht.“ Nachdem sich dies bestätigt habe, sei
der Betriebsrat einbezogen worden. Danach wurde eine
Betriebsvereinbarung geschlossen. Die Teilnahme am
Angebot sei freiwillig und brauche flankierende Informati-
onen. „Zweimal jährlich erhalten unsere Mitarbeiter außer-
dem einen Kontoauszug mit dem aktuellen Stand. Wir erle-
ben, dass vor allem übertariflich beschäftigte Mitarbeiter
das Angebot derzeit nutzen“, so Echterhof. MVV Energie
investiere die Guthaben in Kapitalanlagemodelle einer
Tochtergesellschaft der Deutschen Bank. Der Freistellungs-
anspruch entspreche dem Gegenwert der Wertpapiere und
der Wertentwicklung. Da nicht jeder Arbeitgeber Langzeit-
konten anbiete,
können noch beste-
hende Guthaben im
Falle eines Wech-
sels beim Deut-
schen Rentenversi-
cherer Bund einge-
zahlt oder komplett
ausgezahlt werden.