04_2012
wirtschaft + weiterbildung
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sparte Arbeitszeit in Weiterlernen inves-
tieren; können ist das Lernzeitkonto. Es
funktioniert wie ein Arbeitszeitkonto, auf
das die Mitarbeiter für Weiterbildungs-
oder vielmehr Weiterlernaktivitäten bei
vollem Lohnausgleich Zeit ansparen.
Bisher wenig Verständnis für
das Instrument in der Praxis
Dieses Instrument ist durchaus nicht
neu. Doch einige gesetzliche und prak-
tische Hürden erschweren die praktische
Umsetzung. Und so wundert es zunächst
nicht, wenn Praktiker auf die Frage, ob
es Lernzeitkonten in der Praxis gebe, oft
mit Kopfschütteln antworten. So auch
Christa Stienen. Lernzeitkonten seien in
der Praxis kein Thema, meint das Präsi-
diumsmitglied des Bundesverbands der
Personalmanager e.V.: „Es steht außer
Frage, dass Unternehmen auf ihre Kosten
Mitarbeiter entwickeln, um wettbewerbs-
fähig zu bleiben – und zwar individuell.
Was will man auf Konten Ansprüche sam-
meln, über die dann nur der Mitarbeiter
bestimmt, weil es eben seine sind? Ab-
gesehen vom Effekt für das Arbeitgebe-
rimage: Erst das Konto füllen, dann wei-
terbilden? Das ist wenig überzeugend“,
merkt die Personalerin an.
Ermittlungen der Bundesvereinigung
der Arbeitgeberverbände (BDA) stützen
diese Einschätzung. Ihr zufolge finden
drei Viertel aller Weiterbildungen im Job
statt. Das Betriebspanel des Instituts für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
von 2009 beziffert die Zahl unter 16.000
Betrieben auf 64 Prozent.
Doch Mechthild Bayer, die beim Verdi-
Hauptvorstand Referentin für Weiterbil-
dung ist, hält dagegen: „Das stimmt doch
gar nicht, dass Betriebe genügend für die
Weiterbildung tun. Man muss sich gene-
rell fragen, wie Arbeitszeit künftig aufge-
teilt werden kann. Die Gesellschaft altert,
weiterhin werden viele Überstunden ge-
macht und es bedarf laufender Qualifi-
zierungen. In einem Forschungsprojekt
befragen wir derzeit Pflegekräfte zu ihrer
Situation. Viele wissen nicht, wann sie
sich weiterbilden sollen.“
Die Verdi-Referentin fordert rechtliche
Rahmenbedingungen für Bildung, damit
diese auch beim Mitarbeiter ankommt.
Lernzeitkonten wären ein geeignetes Mit-
tel. Verdi hat dazu einen Beraterkreis ge-
gründet, dem die Protagonisten des The-
mas – der emeritierte Professor Hartmut
Seifert und Rolf Dobischat, Professor für
Wirtschaftspädagogik an der Universität
Duisburg, angehören.
Seifert veröffentlichte 2009 mit seinem
Kollegen Gerd Busse ein Gutachten über
tarifliche und betriebliche Regelungen zur
beruflichen Weiterbildung. Das Fazit der
Autoren: Weil Firmen den Gestaltungs-
spielraum in Betriebsvereinbarungen zu
wenig füllen und Mitarbeiter aus kleinen
Betrieben oder mit geringem Bildungsni-
veau wenig Angebote bekämen, müssten
Finanzierungsmodelle diskutiert werden.
Lernzeitkonto als Unterform
des Langzeitkontos
Und gerade solche Modelle werden gera-
dezu heiß in Politik und Wirtschaft dis-
kutiert. Denn Lernzeitkonten sind vom
Aufbau her wie Langzeitkonten gestaltet.
Nur dass der einzige Zweck des Anspa-
rens beim Lernzeitkonto die Finanzierung
von selbst initiierter Weiterbildung ist.
Bei Langzeitkonten ist der Verwendungs-
zweck offen. Der Gesetzgeber gibt ledig-
lich vor, dass sie zur vollständigen oder
teilweisen Freistellung für Auszeiten be-
treffend Familie, Pflege, Sabbaticals oder
eben Weiterbildungen dienen sollen.
Gesetzliche Änderungen hei-
zen derzeit das Thema an
Aber der Gesetzgeber hat bei den Lang-
zeitkonten angesichts der Finanzmarkt-
krise 2008 einiges geändert. Seit dem
Flexi-II-Gesetz sind Arbeitszeitkonten in
Flexi- und Langzeitkonten zu unterteilen.
Gespart wird nur noch Geld, dazu sind
Entgeltanteile wie Urlaubs- und Bildungs-
urlaubsansprüche sowie Überstunden
umzuwandeln. Sonderzahlungen können
ebenfalls einfließen. Flexikonten mit einer
Laufzeit bis zu einem Jahr sollen weiter-
hin Konjunkturschwankungen austarie-
ren. Beim Arbeitgeberwechsel muss das
Ersparte übertragbar sein. Und es muss
eine Sicherung vor Insolvenz und Wert-
verlusten geben.
Zu den Folgen dieser Änderungen gibt es
aktuell einen Stichtag: Bis zum 31. März
2012 sollte die Bundesregierung dem
Bundestag gemäß § 7g SGB IV berichten,
wie sich das 2009 in Kraft getretene Ge-
setz zur Verbesserung der Rahmenbedin-
gungen für die Absicherung flexibler Ar-
beitszeitregelungen (Flexi II) in der Praxis
auswirkt.
Die BDA, die der Bundesregierung eine
Stellungnahme zur Evaluation von Flexi II
geliefert hat, zeigt sich kritisch. Sie be-
klagt bürokratischen Mehraufwand.
„Durch die Änderung der gesetzlichen
Vorschriften zum 1. Januar 2009 für die
Führung und Einrichtung von Lebens-
arbeitszeitkonten sind diese weniger at-
traktiv geworden“, erläutert Nora Braun,
Referentin für Arbeitsrecht der BDA.
Personaler beklagen sogar, dass sie es
seit den Änderungen mit einem Versiche-
rungsthema zu tun haben. Michael Ries,
Vorstandsmitglied der AGZWK, Arbeitsge-
meinschaft Zeitwertkonten e.V., bestätigt
dies: „Die Finanzbranche dominiert das
Thema, dabei sind ihre Produkte häufig
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