Seite 24 - wirtschaft_und_weiterbildung_2012_04

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wirtschaft + weiterbildung
04_2012
titelthema
Nicht wenige Therapeuten sagen, Burn-
out sei nichts anderes als eine Depression
und fordern, man solle das Kind beim
Namen nennen. Stimmen Sie dem zu?
Dr. Gunther Schmidt:
Ich bin anderer
Meinung. Beim Burn-out sehen Sie all
die Phänomene, die man auch bei einer
Depression sehen kann. Aber man sollte
beachten, dass diese „ausgebrannten“
Menschen in ihrem beruflichen Kontext
über sehr viele Jahre sehr leistungsfähig
waren. Diese Menschen befinden sich
aber gerade in einer extremen Überforde-
rungssituation. Von den Symptomen her
läuft das auf das Gleiche hinaus wie bei
einer Depression, aber der Begriff Depres-
sion wird der Burn-out-Dynamik über-
haupt nicht gerecht. „Klassisch“ Depres-
sive haben eine ganz andere Geschichte.
Sie erleben sich nicht selten von Kindheit
an als traumatisiert, haben sehr viele
Selbstzweifel und waren überhaupt nicht
leistungsfähig. Dieser Unterschied muss
doch berücksichtigt werden!
Wie schlimm ist es, einen Burn-out-
Betroffenen mit dem Etikett „depressiv“
zu belegen?
Schmidt:
Das Wort Depression hat auf
viele Betroffene eine knallharte Wirkung.
Sie werden geschwächt und oftmals ent-
mutigt. Wenn man jemandem sagt, er sei
ausgebrannt, dann schwingt da die An-
erkennung mit, dass er einmal gebrannt
hat. Das allein gibt ihm schon Rückende-
ckung und er kann ganz anders und viel
schneller wieder zu Kräften kommen.
Inwiefern hat jemand „selbst Schuld“,
wenn er an Burn-out erkrankt?
„Wir brauchen mehr
Abgrenzungskompetenz“
INTERVIEW.
Dr. Gunther Schmidt fordert Burn-out-Gefährdete dazu auf, ihre
optimale Lebensbalance zu finden. Voraussetzung dafür sei es, die Signale des
eigenen Körpers als Feedback nutzen zu können und den Mut zu haben, sich
gegenüber Überforderungen abzugrenzen.
Dr. Gunther Schmidt
als Redner und Moderator einer „Business-Lounge“ zum
Thema „Burn-out als Kompetenz“ der IHK Darmstadt.
Foto: Pichler