04_2012
wirtschaft + weiterbildung
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ist, kann ich nichts unternehmen“) ver-
schärfe die Sache noch. „Es ist nicht die
stressige Situation an sich, die in den
Burn-out führt“, betont Schmidt. Wenn in
einem Seminar ein Handy klingelt, ärgert
sich der eine maßlos über die Störung,
ein anderer freut sich darüber, dass er
daran erinnert wird, dass es an diesem
Ort ein Netz und damit eine Verbindung
nach außen gibt. „Es liegt an der Art, wie
man die Situation interpretiert.“
Unerreichbare Ziele
beschleunigen den Burn-out
Ein Beispiel: Teamleiter Müller sieht
wie der Chef die Stirn in Falten legt und
meint: „Diese Entscheidung liegt jetzt in
Ihrer Verantwortung, Müller“. Und schon
fühlt sich Müller als kleiner, überfor-
derter Junge, der sich als zu blöd erlebt,
es seinem Vater Recht zu machen. Be-
sonders übel ist es, wenn noch eine in-
nere Stimme auftaucht und „Die anderen
schaffen es doch auch!“ sagt. In Müllers
Gehirn löst die Erinnerung an eine seiner
jugendlichen Fehlentscheidungen eine
Kettenreaktion aus. Ein Netzwerk von ne-
gativen Erinnerungen und Gefühlen wird
aktiviert. Müller spürt Panik aufsteigen.
Er will seinen Chef mit einer „richtigen“
Entscheidung beeindrucken, weiß aber
genau, dass sich erst in einer fernen,
unkalkulierbaren Zukunft zeigen wird,
welche Entscheidung richtig war. Solche
Zwickmühlen saugen Energie ab und
zermürben. Der Teamleiter hat nur eine
Gewissheit: Er wird sich in der Zukunft
dafür hassen, wenn er jetzt die falsche
Entscheidung trifft.
Unsere Antreiber und unsere Muster
wirken in uns kraftvoller und schnel-
ler als alles kognitive Wissen und unser
Wille. „Ich will es nicht“, sagen wir, aber
„es“ passiert unwillkürlich. Das ist kein
Wunder: Da es sich um unwillkürliche
Systeme handelt, entscheiden Stamm-
hirn und Mittelhirn über sie. Und diese
stammesgeschichtlich älteren Teile des
Gehirns kommunizieren schnell über
bildhafte Vernetzungen. Um Stamm- und
Mittelhirn zu beeinflussen, brauchen
wir Kommunikationsprozesse, die deren
„Sprache“ nutzen. Das sind zum Beispiel
Imaginationen, Ritualisierungen und vor
allem körperliche Interventionen. Die sind
aus hypnosystemischer Sicht besonders
nützlich, denn die Neurowissenschaften
zeigen: Es gibt keine mentalen Prozesse,
die nicht körperliche Prozesse auslösen
(sogar während des Träumens) und keine
körperlichen Prozesse, die nicht mentale
Prozesse anstoßen. Unser Körper kann
zum Beispiel durch das Umschalten von
Ruhe auf Bewegung ein anderes „Ich“ ak-
tivieren.
Therapeuten oder Coachs, die „lösungs-
orientiert“ arbeiten neigen dazu, die Auf-
merksamkeit eines Ratsuchenden von
Anfang an auf positive Ziele zu lenken.
Aus hypnosystemischer Sicht greift das
zu kurz. „Damit aus einem leidenden Ich
allmählich ein gestaltendes Ich werden
kann, ist zuerst einmal eine wertschät-
zende Begleitung für das Opfer-Ich wich-
tig“, erklärt Schmidt. Die Vergangenheit
sollte gewürdigt und bisherige Problem-
lösungsversuche des Klienten als Kompe-
tenz erklärt werden. Die Erlebnismuster
eines Burn-out-Kandidaten, die in eine
unerwünschte, krankmachende Richtung
drängen, müssen erst einmal „erforscht“
werden. Der Therapeut muss sie akzep-
tieren und wertschätzen, sonst würde er
sich auf einen Kampf mit ihnen einlassen,
den er nicht gewinnen kann. Gleichzeitig
muss er schrittweise in einem Sowohl-als-
auch-Verfahren den Blick über den Zaun
lenken – nämlich hin zu erwünschten,
bewusst gewollten Erlebnismustern und
Strategien. Letztlich muss er willentliches
Erleben und unwillkürliches Erleben zu
einer Art Koalition zusammenschmieden,
in der beide dasselbe Ziel erreichen wol-
len.
In seinem Vortrag „Nutzung von Stress-
faktoren als hypnosystemische Lösungs-
wecker“, den Schmitt im September 2011
in Berlin gehalten hat, erklärt er den Um-
gang mit unwillkürlichen Prozessen mit
der Postkutschen-Analogie: Nachdem in
einem Western die Räuber den Kutscher
der Postkutsche erschossen haben, rast
der Sechsspänner auf den Abgrund zu
(unerwünschte Prozesse in uns). Der
Held reitet auf die Kutsche zu und hält
sich mit gleicher Geschwindigkeit neben
der Kutsche auf (Pacing). Auf gleicher
Höhe reitend springt er auf eines der
wildgewordenen Pferde auf, reitet immer
noch weiter auf den Abgrund zu - bevor
er in kleinen Schritten die Zügel anzieht
R
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psychisch erkrankter
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