Seite 43 - wirtschaft_und_weiterbildung_2011_04

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04_2011
wirtschaft + weiterbildung
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Kritik an der „Assessment-Center-Kultur“
Die Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass selbst hervor-
ragend ausgebildete Manager nicht immer vorbildlich
handeln. Was läuft da schief?
Prof. Dr. Thomas Schwartz:
Es wäre sehr kurzfristig
gedacht, wenn man nur den Banken oder Spitzenmana-
gern die Verantwortung für die Finanz- und Wirtschaftskrise
zuschreiben würde. Es war nicht nur die Gier von Mana-
gern, sondern von uns allen. Nichtsdestotrotz ist manchen
Führungspersönlichkeiten die Einsicht verloren gegangen,
dass ihr Erfolg von vielen anderen Menschen abhängt.
Diese Menschen- oder Verantwortungsvergessenheit
gegenüber einem größeren Ganzen ist der Knackpunkt.
Manchmal funktioniert das noch im Kleinen, wenn es um
das Wohl eines Unternehmens geht. Doch selbst das
geschieht schon eher nutzenoptimiert im eigenen Sinne.
Deshalb muss der Sinn für Verantwortlichkeit so gestärkt
werden, dass sich Führungspersönlichkeiten für die ganze
Gesellschaft verantwortlich fühlen und daraus ein gemein-
sames gesellschaftliches oder organisationales Handeln
wachsen kann.
Brauchen wir dafür eine bessere Ausbildung für Mana-
ger und Führungskräfte?
Schwartz:
In gewisser Weise schon. Wirtschaftsethische
Kriterien sollten in die Studienprogramme aller Universi-
täten und Hochschulen integriert werden. Schon in der
Schule kommt dieser Aspekt zu kurz. Meine Vorlesungen
an der Wirtschaftsfakultät – alles Wahlveranstaltungen
– sind im Gegensatz dazu dennoch immer sehr voll. Das
Bedürfnis ist also da: Junge Menschen wollen ethisch
richtig handeln. Sie möchten sich nicht nur an finanziellen
Kennziffern orientieren, sondern auch an Zielen, die die
Zusammenarbeit im Unternehmen nach innen und nach
außen stärken.
Der Arbeits- und Wirtschaftssoziologe Prof. Dr. Holger
Rust hat festgestellt: Viele junge Studenten bringen
hohe moralische Ansprüche mit. In den Unternehmen
selbst scheint es aber Auslesemechanismen zu geben,
die solche Absolventen ausschließen. Deckt sich das
mit Ihren Beobachtungen?
Schwartz:
Ja, das ist leider häufig der Fall. Gerade in der
stark ausgeprägten Assessment-Center-Kultur von großen
Unternehmen entscheiden neben den Personalern, die die
Interview.
Prof. Dr. Thomas Schwartz lehrt Wirtschafts- und Unternehmensethik
an der Universität Augsburg. Der Priester und Hochschullehrer beschäftigt sich auch
mit Personalthemen. Seinen Keynote-Vortrag „Wie man sich aufführt, so führt man!“
hält er auf der Personal Nord am 6. April und auf der Personal Süd am 13. April.
Thomas Schwartz:
Priester und Ethikprofessor.
eigene Unternehmenskultur kennen, auch externe Berater,
die allein nach allgemeinen ökonomischen Parametern
ihre Favoriten auswählen. Menschen, die reflektierter han-
deln wollen, fallen da leicht aus dem Raster. Zum anderen
verankern die Unternehmen auch ihre Kultur nicht stark
genug im Personalmanagement. Bei der Personalauswahl
und -entwicklung von Managern muss die Persönlichkeit
eine größere Rolle spielen.
Welche Kernkompetenzen sind für eine gute und
erfolgreiche Führungspersönlichkeit notwendig?
Schwartz:
Ganz entscheidend ist die Fähigkeit zur Trans-
parenz. Außerdem die Bereitschaft, Verantwortung zu über-
nehmen und delegieren zu können. Führungskräfte sollten
auch eine Fehlerkultur im Unternehmen aufbauen können,
die den Menschen immer wieder die Möglichkeit gibt, aus
ihren Aufgaben zu lernen. Ich war einmal für ein größe-
res kirchliches Unternehmen mit rund 3.000 Mitarbeitern
verantwortlich. Da habe ich relativ viele Fehler gemacht
und durch dieses Scheitern viel gelernt. Die meisten Men-
schen geben dann ihr Bestes, wenn sie angstfrei agieren
können – deshalb nutzt das dem Unternehmen.
Interview: Stefanie Hornung