04_2011
wirtschaft + weiterbildung
23
chendienst personalintern – bereits 2007
für das Amt des Präsidenten der Katho-
lischen Universität Eichstätt kandidiert
haben. Heute verkauft Creusen sein Kon-
zept als selbstständiger Berater, zugleich
ist er Senior Scientist bei der Gallup Or-
ganization. Sein 2010 erschienenes Buch
„Positive Leadership“ mutet stellenweise
wie eine Werbebroschüre für Gallup an.
Zusammen mit einem Team von Wissen-
schaftlern habe er valide Messinstrumente
zur Messung von Flow im Unternehmen
und zur Analyse von Visionen entwickelt,
erklärte Creusen in einem Telefonat. Nä-
here Informationen dazu gibt er auch auf
Nachfrage nicht. Führungskräfte müssten
die Stärken ihrer Mitarbeiter erkennen
und fördern, so der Berater. Dann ändere
sich auch ihr bisher meist aufgabenorien-
tierter Führungsstil. Wie das genau aus-
sieht, konnte er leider nicht vermitteln.
Sein Ansatz sei es, Stärken zu entdecken,
unabhängig vom Tagesgeschäft. Auch
für welche Unternehmen er tätig ist,
wollte er nicht sagen. Aber darunter sei
der größte Lebensmittelhersteller in Eu-
ropa, ein großer Autohersteller und eine
Baumarktkette. Creusen war es auch,
der das Thema an die Universität Eich-
stätt brachte. Seit 2008 ist der habilitierte
Volkswirt und Soziologe dort Honorarpro-
fessor und lehrt „Positive Leadership“.
Vieles gilt selbst Anhängern
als zu esoterisch
Über Creusen habe man damals Kontakt
zu dem Ansatz der Stärkenorientierung
bekommen, sagt Professor Stephan Kai-
ser, der heute an der Universität der Bun-
deswehr München im Bereich Personal-
management und Organisation lehrt. Als
dann im Harvard Business Manager erst-
mals die amerikanische Forschungsrich-
tung Positive Organizational Scholarship
(POS) aufgegriffen wurde, habe man das
Thema bei der European Academy of Ma-
nagement vorgestellt und diskutiert. POS
beschäftige sich mit den Ursprüngen orga-
nisationaler Spitzenleistung und komme
zu dem Resultat, dass Spitzenleistungen
primär auf die Förderung von Stärken zu-
rückzuführen sind, heißt es in dem Sam-
melband „Positives Management“.
Professor Kaiser sieht in POS einen neuen
Umbrella-Begriff, unter dem verschiedene
Konzepte zusammengefasst werden.
Dazu gehöre eine bedürfnisorientierte
Personalentwicklung und Job Enrich-
ment ebenso wie das Konzept der organi-
sationalen Energie. Ein Umbrella-Begriff
könne einem Thema eine eigene Qualität
verleihen, glaubt Kaiser. Allerdings gehe
es ihm dabei immer um empirische Evi-
denz. „Vieles, was es in dem Bereich gibt,
ist aus Sicht der Betriebswirtschaft und
der Psychologie zu esoterisch.“
Aber weil Positive Psychologie auch
ein Vermarktungsinstrument sei, werde
manches auch zu sehr simplifiziert. Er
selbst sei kein Freund von Extrempositi-
onen, sagt Kaiser. „Eine reine Stärkenori-
entierung ohne Berücksichtigung der De-
fizite funktioniert nicht“, erklärt der Pro-
fessor. „Einen Schüler, der gut in Mathe
ist, kann ich nicht nur in Mathe fördern,
weil er dann wegen seiner Deutschnote
durchfällt.“
Tobias Illig sieht POS als Weiterführung
der Positiven Psychologie in der Betriebs-
wirtschaft. „Es geht um positive und le-
bendige Phänome in Unternehmen und
den Aufbau von Resilienz“, sagt der Lei-
ter des Positives Management Instituts
in Neustadt an der Weinstraße. Für Illig
fokussieren sich die Unternehmen oft auf
die falschen Themen. „Die Manager glau-
ben, dass die Mitarbeiter vor allem das
Gehalt und der Karriereplan interessie-
ren“, fasst der Berater seine Erfahrungen
zusammen. Doch die Mitarbeiter suchten
vor allem spannende Aufgaben und Kol-
legialität. Illig bringt dabei den aus der
Paartherapie stammenden Begriff der re-
signativen Reife ins Spiel. So werde etwa
das Thema „Gehaltsgerechtigkeit“ immer
verbesserungsbedürftig bleiben. Damit
müsse man sich einfach abfinden. Doch
viele Unternehmen seien einfach vernarrt
in den Schwächenansatz, besonders die
Ingenieure. Natürlich müsse man Schwä-
chen bearbeiten, wenn sie überlebens-
relevant seien, so Illig. Aber man dürfe
eben nicht permanent problemorientiert
denken.
„Das ständige Kreisen um negative The-
men im Betrieb soll gewürdigt, aber um
das Suchen nach Chancen ergänzt wer-
den“, so der Sozial-Pädagoge. Für den
Berater geht es dabei ganz wesentlich um
die Verbindung unterschiedlichster An-
sätze. Das reiche von der Systemtheorie
über die Kybernetik und die lösungsori-
entierte Beratung bis hin zur kognitiven
Restrukturierungsarbeit nach Albert Ellis,
dem Begründer der Rational-Emotiven
Therapie (RET).
Bärbel Schwertfeger
„Smile od Die.
Wie die Ideologie
des Positiven Denkens die Welt
verdummt“ lautet der Titel einer kri-
tischen Analyse von „Happy Ame-
rica“, die die US-Wissenschafts-
journalistin Barbara Ehrenreich als
Buch veröffentlichte. Es erschien
im Jahr 2010 auf deutsch im Verlag
A. Kunstmann, München (288 Sei-
ten, 19,90 Euro). „Eine erfrischend
aggressive, glänzend intelligente
Attacke auf das Nonsense-Monster
mit den tausend Armen“, urteilte
die britische Daily Mail. „Ein Plädo-
yer für eine Rückkehr zum gesun-
dem Menschenverstand.“
Buchtipp
Journalistin
Barbara Ehrenreich