Seite 22 - wirtschaft_und_weiterbildung_2011_04

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wirtschaft + weiterbildung
04_2011
Zukunftsorientierung. „Jeder hat diese
34 Talente von Geburt an in unterschied-
licher Ausprägung“, erklärt Pfeifer. Die
Reihenfolge sei angeboren und kaum
veränderbar. Unternehmen können den
Gallup-Test nur nutzen, wenn sie eine
„komplette Beratungsleistung zur Perso-
nalentwicklung“ einkaufen. Eingesetzt
werden könne er etwa bei der Zusam-
mensetzung von Teams, aber auch im
Rahmen von Weiterbildungsmaßnahmen.
Bisher ist Gallup bei deutschen Unterneh-
men nicht sehr erfolgreich. „Wir haben
nur sehr wenige Kunden in Deutschland,
meist sind es weltweit tätige Unterneh-
men“, sagt Pfeifer. Als Vorzeigeunterneh-
men galt lange Zeit der Elektronikhändler
Media-Saturn. „Bis vorletztes Jahr hatten
wir dort ein Beratungsprojekt“, sagt Pfei-
fer. Doch im März 2011 bestätigte Media-
Saturn, dass der „Strenghtfinder“ nicht
mehr eingesetzt werde. Promoter des
Gallup-Instrumentariums war vor allem
Utho Creusen, bis März 2008 Personalge-
schäftsführer der Media-Saturn Holding
in Ingolstadt.
Das dortige Personalmanagement war
nach den drei Säulen der „Positiven Psy-
chologie“ ausgerichtet: Flow-Gefühle,
Stärken und Visionen. Dafür wurde
Creusen von Gallup 2006 sogar mit dem
„Award for Corporate Leadership Ex-
cellence in Positive Psychology“ ausge-
zeichnet. In einem Artikel über „Positive
Leadership“ in der Zeitschrift „Personal“
schrieb er im Februar 2008: „Positive
Emotionen wie Freude oder Stolz stellen
bei Media Markt und Saturn allgegenwär-
tige Phänomene dar.“ Wer schon einmal
in einem der chronisch unterbesetzten
Elektronikmärkte einen von genervten
Kunden umringten Verkäufer beobach-
tet hat, kann das allerdings nur bedingt
nachvollziehen. Auch bei den Obi Bau-
märkten (wo Creusen vor Media-Saturn
tätig war) sowie bei Douglas, Thalia und
Globus hat Creusen das Konzept angeb-
lich erfolgreich umgesetzt.
Nach seinem Weggang von Media Saturn
soll er eine wissenschaftliche Karriere
angestrebt haben und – laut dem Bran-
Unmotiviertes Deutschland?
Kritik an Gallup-Umfrage.
Er gehört wohl zu den meist zitierten Umfragen: der jährlich erhobene
„Engagement Index“ des amerikanischen Beratungsunternehmens Gallup. Und jedes Jahr wird erneut
behauptet, dass nur erschreckend wenige deutsche Arbeitnehmer motiviert seien.
Im Jahr 2010 sollen nur 13 Prozent der
deutschen Beschäftigten über „eine hohe
emotionale Bindung“ verfügt haben und
damit bereit gewesen sein, „sich freiwil-
lig für ihren Arbeitgeber und dessen Ziele
einzusetzen“. Die große Mehrheit der
Arbeitnehmer, insgesamt 66 Prozent, soll
lediglich eine geringe emotionale Bindung
ausweisen und nur Dienst nach Vorschrift
machen. Das ist laut Gallup auch im inter-
nationalen Vergleich seit Jahren unterdurch-
schnittlich.
Doch die Aussagekraft der Umfrage ist
unter Experten umstritten. Zugrunde liegt
ihr der sogenannte Q12-Fragebogen. Zu
den zwölf Fragen gehören etwa: „Ich habe
bei der Arbeit jeden Tag die Gelegenheit,
das zu tun, was ich am besten kann“ oder
„Ich habe einen sehr guten Freund/eine
sehr gute Freundin innerhalb der Firma“.
Nur wer kann sich schon jeden Tag in sei-
nem Job selbst verwirklichen? Daher führen
globalere Fragen (Beispiel: „Ich bin bereit,
mich stark an meinem Arbeitsplatz einzu-
bringen“) in der Regel zu deutlich höheren
Anteilen engagierter und zufriedener
Beschäftigter als Bewertungen einzelner,
vergleichsweise konkreter Aspekte. Und bei
der Einschätzung eines Kollegen als „sehr
guten Freund“ ist man in Deutschland nun
mal zurückhaltender als in den USA, wo
jeder oberflächliche Bekannte schon als
„very good friend“ gilt.
Bei Gallup können die Fragen auf einer
Skala von 1 bis 5 bewertet werden. Doch wo
die Grenzwerte zwischen gering und hoch
emotional gebundenen Mitarbeitern liegen,
ist laut einem Beitrag von Karsten Schulte-
Deußen in „Wirtschaftspsychologie aktuell“
nicht bekannt. Fraglich ist daher auch, ob
die 13 Prozent der hoch Motivierten nicht
vielleicht ein extremes Engagement an
den Tag legen, das man sowieso nicht von
jedem Mitarbeiter erwarten kann. Auch die
Interpretation, dass eine
wie auch immer
definierte
geringe emotionale Bindung
mit „Dienst nach Vorschrift“ gleichzusetzen
sei, erscheint zumindest fraglich.
Q12 wird auch intern in Unternehmen ein-
gesetzt, um so etwas wie Engagement zu
messen. Böse Zungen behaupten, dass
es sich dabei vor allem um ein cleveres
Marketinginstrument handle. Denn sei
das Engagement niedrig, verspreche die
Beratung durch Gallup Abhilfe. Beispiel
Media-Saturn: Die Elektronikmärkte hatten
als eines der wenigen deutschen Unterneh-
men auf die Beratung durch Gallup gesetzt.
„Die Ergebnisse der Media-Saturn Unter-
nehmensgruppe können als Benchmark für
ganz Deutschland dienen“, schwärmte der
ehemalige Personalchef Utho Creusen in
der Zeitschrift „Personal“ 2/2008. So hät-
ten 40 Prozent der Mitarbeiter angegeben,
sich emotional gebunden zu fühlen und
damit „äußerst zufrieden zu sein“. Auch
das ist eine zumindest gewagte Interpreta-
tion. Denn auch wer die zwölf Gallup-Fragen
positiv beantwortet, muss noch lange nicht
zufrieden sein. Schließlich gibt es auch
noch so profane Dinge wie Arbeitszeit und
Gehalt.
Details zur Umfrage veröffentlicht das Gal-
lup-Institut in seinem Buch „12 Elements of
Great Managing“ (Gallup Press New York).
Ergebnisse des „Engagement Index 2010“
sind unter
finden.
Bärbel Schwertfeger
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