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RECHT
_VERGÜTUNG
personalmagazin 01 / 15
I
n den vergangenen Jahren hat die
Rechtsprechung einige Bonus-Kon-
zepte gekippt, die zuvor über lange
Zeit üblich waren. Worauf Unter-
nehmen bei Bonusregelungen achten
müssen, weil Arbeitsrichter diese streng
prüfen, ist auch in Ausgabe 11/2012 (Sei-
te 72) des Personalmagazins dargestellt.
Nun geben jedoch neuere Entscheidun-
gen des Bundesarbeitsgerichts (BAG)
Arbeitgebern Anlass zu Optimismus. Die
dadurch entstehenden Gestaltungsmög-
lichkeiten sollten Personaler nutzen.
Stichtag: mehr oder weniger streng?
Häufig finden sich in Bonusvereinba-
rungen Stichtagsklauseln. Sie sind ein
oft angewandtes Instrument, um Mitar-
beiter längerfristig an das Unternehmen
zu binden. Es ist zu unterscheiden zwi-
schen einem
• Stichtag außerhalb des Bezugszeit-
raums (zum Beispiel 30. März des Fol-
gejahres) und einem
• Stichtag innerhalb des Bezugszeit-
raums (zum Beispiel 31. Dezember des
Bonusjahres).
Bei Klauseln mit einem Stichtag au-
ßerhalb des Bezugszeitraums ist das
BAG besonders streng. Ein Beispiel da-
für ist bei einem auf das Kalenderjahr
bezogenen Bonus der Stichtag am 30.
März des Folgejahres. Grundsätzlich
sind solche Vereinbarungen unwirksam,
wenn sie nur den Mitarbeitern einen
Bonus zusprechen, die sich zu einem
nach Ablauf des Bemessungszeitraums
liegenden Auszahlungszeitpunkt noch
Von
Susanne Mujan
und
Stefan Schulze
im (ungekündigten) Arbeitsverhältnis
befinden (BAG, Urteil v. 18.1.2012, Az.
10 AZR 612/10). Diese Regel gilt auch
bei entsprechenden Betriebsvereinba-
rungen (BAG, Urteil v. 12.4.2011, Az. 1
AZR 412/09).
Ausnahme: Nur Betriebstreue belohnt
Eine Ausnahme ist nur zulässig, wenn
die Zahlungen ausschließlich die Be-
triebstreue belohnen beziehungsweise
reine Halteprämien sind. Jeder Leis-
tungsbezug, etwa in Form der Abhän-
gigkeit des Bonus von individuellen
oder Unternehmenszielen, macht eine
solche Stichtagsklausel unwirksam. Das
BAG begründet seine strenge Rechtspre-
chung damit, dass dem Mitarbeiter der
einmal verdiente Arbeitslohn nicht wie-
der entzogen werden dürfe. Konsequenz
einer unwirksamen Stichtagsklausel
ist, dass auch der vorzeitig ausgeschie-
dene Mitarbeiter einen vollen Bonusan-
spruch hat.
Vor diesem Hintergrund ist der Ar-
beitgeber nur dann auf der sicheren
Seite, wenn er Retention-Boni, also Be-
triebstreueprämien, formell und inhalt-
lich strikt vom Zielbonussystem trennt.
Zudem muss er Halteprämien ausdrück-
lich als solche bezeichnen. Auch dürfen
sie keinen wesentlichen Anteil an der
Gesamtvergütung des Arbeitnehmers
ausmachen. Diskutiert werdenRetention-
Boni in Höhe eines Bruttomonatsgehalts
bis zu 25 Prozent der Gesamtvergütung.
Werden diese Grundsätze befolgt,
kann der Arbeitgeber einen Mitarbei-
ter finanziell zum längeren Verbleib im
Unternehmen motivieren. Dies gilt – zu-
mindest bislang – auch dann, wenn die
entsprechende Stichtagsklausel „good
leaver“ erfasst, also nicht zwischen der
verhaltens- und der betriebsbedingten
Arbeitgeberkündigung differenziert.
Großzügiger ist die Rechtslage bei
Stichtagen innerhalb des Bezugszeit-
raums. Zwar gilt auch hier der beschrie-
bene Grundsatz: Ist eine Sonderleistung
(auch) Vergütung für bereits erbrachte
Arbeitsleistung, darf der Arbeitgeber
diese regelmäßig nicht davon abhängig
machen, dass das Arbeitsverhältnis am
31. Dezember des Jahres, in dem die Ar-
beitsleistung erbracht wurde, noch be-
steht. Dies hat das BAG am 13. November
2013 klargestellt (Az. 10 AZR 848/12).
Zudem nennt das Gericht jedoch Aus-
nahmen, die Arbeitgeber nutzen können.
Ausnahme: Wert der Arbeitsleistung
So soll immer dann die Vereinbarung ei-
ner solchen Stichtagsregelung innerhalb
des Bezugszeitraums in Betracht kom-
men, „wenn die Arbeitsleistung in einem
bestimmten Zeitraum vor dem Stichtag
einen besonderen Wert hat“. Das BAG
nennt hier beispielhaft Saisonbetriebe,
öffnet die Fallgruppe aber ausdrücklich
auch für andere Konstellationen. Vor-
aussetzung ist, dass „branchen- oder be-
triebsbezogene Besonderheiten“ das Be-
dürfnis für einen Stichtag rechtfertigen.
Dies eröffnet Gestaltungsmöglich-
keiten für Unternehmen. So ist etwa im
Einzelhandel ein Stichtag denkbar, der
nach den jeweiligen „Sales Seasons“
oder dem Weihnachtsgeschäft liegt.
Helfen dürfte es in jedem Fall, die be-
sondere Bedeutung des Stichtags in der
Mehr Spielraum beim Bonus
ÜBERSICHT.
Den Unternehmen, die auf Bonussysteme setzen, macht das BAG strenge
Vorgaben. In neueren Urteilen deutet das Gericht jedoch an, die Grenzen zu lockern.