Seite 37 - personalmagazin_2015_01

Basic HTML-Version

37
01 / 15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
dass bis 2025 rund 3.000 Mitarbeiter in
Rente gehen werden. Die müssen ersetzt
werden. Wenn also in der U-Bahn-Instand-
haltung im nächsten Jahr sechs Elektriker
ausscheiden, muss der Abteilungsleiter
sechs Arbeitnehmer einstellen, davon 50
Prozent Frauen. So konkret steht das in
seiner Zielvereinbarung, die einen spür-
baren Anteil am Bonus ausmacht. Bei der
Zielabrechnung Ende 2013 hatten wir ein
ganzes Stück geschafft, aber nicht alles. In
den Gesprächen hieß es: Es war zu schwie-
rig, aber eine Frau habe ich eingestellt.
Der Überhang, also zwei Frauen, wurde
dann zu den Zahlen für 2014 addiert. Und:
Der Bonus wurde proportional gekürzt. So
wird es jedes Jahr weitergehen. Jetzt ha-
ben wir 18 Prozent Frauen.
personalmagazin:
Es bringt also Manager
in Bewegung, wenn das eigene Portemon-
naie betroffen ist?
Nikutta:
Das Interesse am Girl’s Day und
am Tag der offenen Tür steigt jedenfalls.
Und wir werben jetzt dezidiert um Bus-
fahrerinnen. 160 neue Fahrerinnen ha-
ben wir schon ausgebildet.
personalmagazin:
Wie stark beschäftigt Sie
persönlich das Mann-Frau-Rollenspiel in
der Wirtschaft?
Nikutta:
Ich würde schon am liebsten in
einer Berufswelt leben, in der das Ge-
schlecht keine Rolle spielt. Aber wir
müssen konstatieren, dass die vielen gu-
ten Abiturientinnen irgendwo bleiben,
nur nicht in Führungspositionen. Verän-
derung ist leider kein Selbstläufer.
„Bonus gekürzt“
INTERVIEW.
Bei den Berliner Verkehrsbetrieben steht Frauenförderung in den persön-
lichen Zielvereinbarungen – nicht als Idee, sondern mit Zielziffern.
personalmagazin:
Was wollen Sie bei den
Berliner Verkehrsbetrieben erreichen?
Sigrid Nikutta:
Ich bin absolut ergebnisori-
entiert. Diesem Ziel ist alles untergeord-
net. Wir investieren viel Vorstandszeit in
persönliche Diskussionen, damit unsere
Unternehmensziele auch bei jedem Mit-
arbeiter ankommen. Kommunikation
ist der Schlüssel. Wir informieren über
alle Kanäle. Wir haben die Mitarbeiter
gefragt, welche Medien sie gerne lesen.
Jetzt ist unsere Mitarbeiterzeitschrift
aufgebaut wie eine Boulevardzeitung.
personalmagazin:
Und dort halten Sie mit
Appellen in fetten Lettern die Leistungs-
steigerung am Köcheln?
Nikutta:
Aufrufe bringen wenig, Vorleben
bringt viel. Die Mitarbeiter erleben, dass
wir nachhaltig unsere Ziele verfolgen.
Unser strategisches Ziel war eine schwar-
ze Null im Jahr 2016. Nun haben wir dies
zwei Jahre früher geschafft. Die Mitarbei-
ter tragen dazu mit einem Tarifvertrag
bei, der an unternehmerischen Erfolg
gekoppelt ist. Im November konnten sie
bereits durch einen guten Tarifabschluss
von der Entwicklung profitieren. Künftig
gibt es 2,5 Prozent plus in jedem Jahr,
in dem die schwarze Null erreicht wird.
Wir stellen die wirtschaftliche Entwick-
lung auf Mitarbeiterversammlungen
transparent dar. Nach der Wiederverei-
nigung waren wir 30.000, jetzt sind wir
13.400. Die Produktivitätssteigerung
war enorm, denn wir machen mindes-
tens das Gleiche. Aber kulturell muss
sich etwas ändern: Eine ganze Organi-
sation ist über Jahre darauf sozialisiert
worden, Mitarbeiter sozialverträglich
abzubauen. Jetzt suchen wir qualifizier-
te Mitarbeiter und wollen sie halten.
personalmagazin:
Und deshalb schreiben
Sie Frauenförderung auf die Fahne?
Nikutta:
Wir wollen dauerhaft Erfolg.
Das geht nur, wenn wir mehr Frauen
holen – auch in die technischen Berei-
che. Gemischte Teams sind gut für den
Unternehmenserfolg. Außer um Frau-
en werben wir auch um Ältere und um
Menschen mit Migrationshintergrund.
personalmagazin:
Aber Frauen haben
Priorität?
Nikutta:
Ja. Der Frauenanteil lag seit Jahr-
zehnten bei 16 Prozent. Jetzt wissen wir,
Das Interview führte
Ruth Lemmer.
SIGRID NIKUTTA
ist Vorstandsvorsitzende
und Vorstand Betrieb der BVG in Berlin,
dem größten Nahverkehrsunternehmen
Deutschlands mit rund 13.400 Mitarbeitern.
© BERLINER VERKEHRSBETRIEBE