Seite 26 - personalmagazin_2015_01

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TITEL
_DEMOKRATIE
personalmagazin 01 / 15
H
eute geht es in den Unter­
nehmen um Augenhöhe statt
Unterordnung. Mitarbeiter
wollen gemeinsam Komple­
xität meistern statt der Illusion beliebi­
ger Planbarkeit zu erliegen. Sie wollen
Verbundenheit statt Silodenken. Und für
Personaler steht intrinsische Motivation
vor individuellen Anreizen. Dies alles
sind Merkmale, die eine demokratische
Unternehmenskultur im 21. Jahrhun­
dert prägen. Solche Schlüsselfaktoren
sind heute keine randständigen Utopien
mehr, sondern Grundlage des Erfolgs
vieler moderner Unternehmen.
Wie lassen sich solche Haltungen in
weitere Organisationen übertragen? Oft
sind es eher die kleinen, unspektaku­
lären Schritte, die die größte Wirkung
erzielen. Im Folgenden stelle ich drei
Beispiele solcher kleiner Schritte vor, die
es erleichtern, den eigenen Weg gemein­
sam zu entdecken – ohne jedes Rad neu
erfinden zu müssen. Mit ihnen lassen
sich Startpunkte für denWandel zu einer
demokratischen Unternehmenskultur
setzen (weitere Ansätze finden Sie im
nebenstehenden Kasten).
Delegation Poker – spielerisch
Verantwortung klären
Der erste Ansatz ist das Kartenspiel „De­
legation Poker“. Dieses lässt zwischen
Vorgesetzten und Mitarbeitern in weni­
ger als zwei Stunden einen offenen, wert­
schätzenden,
umsetzungsorientierten
Gedankenaustausch über Führungsstile
und Mitarbeiterkompetenzen entstehen
und führt zu einer einvernehmlichen
Entscheidung.
Delegation Poker wurde Ende 2010
erstmals auf einer Konferenz für agiles
Management gespielt und seitdem unter
anderem von Jurgen Appelo weiterent­
wickelt. Das Spiel ist sehr einfach: Man
geht gemeinsam Zeile für Zeile eine Lis­
te aller im Team anfallenden Aufgaben
durch und lässt bei jeder Aufgabe das
Team und den Vorgesetzten verdeckt ei­
ne Karte von eins bis sieben legen. Die
Zahl drückt dabei die persönliche Auf­
fassung darüber aus, ob diese Aufgabe
eher vom Vorgesetzten einseitig ange­
wiesen werden sollte (entspricht der
Zahl 1) oder ohne Rücksprache in Mit­
arbeiterhand liegt (entspricht der Zahl
7) – mit allen Abstufungen von zwei bis
sechs dazwischen. Delegationslevel 5
lässt sich zum Beispiel so umschreiben:
„Der Vorgesetzte gibt Input und der Mit­
arbeiter entscheidet“.
Alle Spieler decken ihre Karten gleich­
zeitig auf und in einem kurzen Dialog
erläutern sich die beiden Spieler mit der
höchsten und niedrigsten Ziffer ihre Po­
sitionen, während alle übrigen schwei­
gend zuhören. So arbeitet man sich Zeile
für Zeile durch die Aufgaben, bis zum
Ende der Liste.
Zum Schluss geht man die Aufgaben­
liste ein zweites Mal durch und ermittelt
diesmal für jede Aufgabe, wie diese test­
weise bis zur Wiederholung des Spiels
delegiert werden soll – beispielsweise
bis in sechs Wochen. Diese Festlegung
erfolgt anhand einer vorher festgelegten
Regel, etwa auf den zweithöchsten Wert
aller abgegebenen Einschätzungen.
Entscheidend bei diesem Spiel ist
nicht das perfekte Ergebnis, sondern
vor allem die Tatsache, dass ein Dialog
in Gang gesetzt wird. Denn in den fol­
genden Wochen wird es nicht nur sehr
viel leichter, heikle Themen anzuspre­
chen wie etwa „Hatten wir hier nicht De­
legationslevel 2 vereinbart?“, oder „Hat
das Team wirklich die Kompetenz, diese
Startpunkte für den Wandel
TIPPS.
Um eine demokratische Firmenkultur zu fördern, können schon einzelne, teils
spielerische Ansätze helfen – ohne die ganze Unternehmensstruktur umzukrempeln.
Von
Ulf Brandes
Veränderungsziel
Ansätze
Den Kunden
erforschen
• Prototyping
• Business Model
Canvas
Kollektiv
entscheiden
• Blueboard
• Delegation Poker
• Konsent
• Neueinstellung
durch das Team
Miteinander/
voneinander lernen
• Mentoring
• Open Space
• Pairing
Teamgefühl/
Vertrauen stärken
• Fearless Journey
• Nobody‘s Perfect
• Superschurke
Freiräume schaffen • Art of Hosting
• Elch auf dem Tisch
• Slack
Führung neu aus-
gestalten
• Cross Level Groups
• Leitplanken
• Volle Transparenz
PRAXIS
Es gibt nicht den einzig richtigen Weg
für den Wandel. Doch jede Veränderung
beginnt mit dem ersten Schritt. Dafür
lassen sich diese Instrumente einsetzen.