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personalmagazin 01 / 15
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TITEL
_
DEMOKRATIE
I
m Jahr 2010 veröffentlichte Lynda
Gratton von der London Business
School, ihr Buch „The democratic
enterprise“. Zwei Jahre danach, in
Ausgabe 5/2012, hat das Personalmaga-
zin in einemArtikel zwölf Thesen zur HR-
Zukunft von Thomas Sattelberger, dem
ehemaligen Telekom-Personalvorstand,
veröffentlicht. Seine erste These lautete:
„Mitarbeiter werden im Jahr 2023 ‚Un-
ternehmensbürger‘ sein, die über die
Qualität von Führung abstimmen, also
Führungskräfte wählen oder abwählen.“
Was Gratton angestoßen hatte, nahm Sat-
telberger auf – als Avantgarde, die auf
eine demokratische Unternehmensstruk-
tur setzt. Im Juni vermeldete Haufe-Um-
antis dann Vollzug: Die Mitarbeiter des
Software-Unternehmens hatten ihre 21
Führungskräfte demokratisch gewählt.
Auch überregionale Medien griffen das
Demokratiethema im Rahmen der Debat-
te um „New Work“-Modelle auf. Passend
dazu schrieb Xing einen Award aus.
Debatte erneut losgetreten
Was für das Jahr 2023 visionär klang,
ist also schon Realität. Das Thema ist
aber eigentlich nicht neu – in den 70er-
Jahren erlebte es eine Hochzeit, als de-
mokratisch organisierte Projekte und
Kleinunternehmen entstanden, wie
Personalmagazin-Herausgeber Reiner
Straub im Artikel „Geschichte der sozi-
alen Idee“ herausarbeitet. Aber gerade
viele Personaler begegnen dem Thema
zurückhaltend, teils ablehnend, wie die
Stellungnahmen ab Seite 20 zeigen.
Von
Kristina Enderle da Silva
(Red.)
Vor der Wahl
TREND.
Die Idee, Unternehmen demokratisch aufzubauen, ist nicht neu. Sie lebt aber
gerade neu auf. Die Frage ist, ob sie sich dieses Mal in der Praxis durchsetzen wird.
© BUCHACHON PHOTO / SHOTSHOP
„Sind wir bereit für Demokratie am
Arbeitsplatz?“, fragten denn auch im
September die Veranstalter der Mes-
se Zukunft Personal. „Demokratische
Strukturen haben in der Arbeitswelt
bislang noch Seltenheitswert“, schrei-
ben sie in ihrer Ankündigung zur Messe.
„Doch derzeit herrscht Aufbruchstim-
mung in Sachen Mitbestimmung und
neue Führung.“
Demokratie heißt Mitbestimmung
Die Zeit scheint also reif, um sich noch-
mals ernsthaft mit dem Thema „Demo-
kratie in Unternehmen“ auseinander-
zusetzen. Doch was genau bedeutet es
überhaupt, wenn von demokratischen
Unternehmen die Rede ist? Aus dem
Griechischen übersetzt bedeutet Demo-
kratie zunächst einmal „Herrschaft des
Volkes“. In der direkten Demokratie ent-
scheidet das Volk selbst zum Beispiel
über Gesetzesentwürfe. In der reprä-
sentativen Demokratie wählt das Volk
auf Zeit gewählte Vertreter, die dann die
Entscheidungen treffen. Betrachtet man
weitergehende Merkmale der Demokra-
tie, stößt man neben dem Grundpfeiler
der Volkssouveränität natürlich auf das
Mehrheitsprinzip, das Recht der Persön-
lichkeit auf freie Entfaltung, auf Chan-
cengleichheit und natürlich auf das
Grundgesetz.
Überträgt man diese Prinzipien auf
Unternehmen, so müssten Führungs-
kräfte über demokratische Wahlen in
die jeweilige Position kommen; dann
müssten Unternehmen über bestimmte
Entscheidungen wie zum Beispiel die
Unternehmensstrategie ihre Mitarbeiter
abstimmen lassen; und dann müssten
die Unternehmen auch in ihrer eigent-
lichen Tätigkeit ausreichend Souveräni-
tät geben – sie müssten den Mitarbeitern
Freiraum in ihren täglichen Entschei-
dungen lassen. Zu definieren wäre,
wann, wo und wie Mitarbeiter mitent-
scheiden könnten.
„Klar ist jedenfalls, dass es hier nicht
um ein Kultur-, sondern um ein Struk-
turthema geht“, so Thomas Sattelberger.
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