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RECHT
_BETRIEBSVERANSTALTUNG
W
enn sich Arbeitgeber in den
vergangenen Jahren groß-
zügig zeigten und die be-
triebliche Weihnachtsfeier
nicht in der geschmückten Betriebskanti-
ne, sondern in einem extra angemieteten
stilvollen Ambiente ausrichteten, dann
konnte dies schnell in eine Steuerfalle
führen. Der Grund: Die Betriebsprüfer
stellten sich stets auf den Standpunkt,
dass auch sämtliche „Gemeinkosten“ auf
die Steuerfreigrenze anzurechnen sind.
Die Freigrenze von 110 Euro, die für je-
den Mitarbeiter zur Verfügung stand, war
so schnell erschöpft. Ebenfalls steuer-
schädlich sollte es nach dem Willen der
Betriebsprüfer sein, wenn zu Betriebsver-
anstaltungen Familienangehörige mitge-
bracht wurden.
Gestoppt wurde diese knausrige Aus-
legung allerdings gleich mehrfach durch
die Richter des Bundesfinanzhofes (BFH).
Diese stellten klar, dass derartige Verwal-
tungsmeinungen nicht aus dem Gesetz
zu entnehmen sind, die Finanzbeamten
hätten somit ihren Interpretationsspiel-
raum überzogen. Diese richterliche Rüge
ließen die Finanzbeamten aber nicht auf
sich sitzen. Sie hielten zunächst unbe-
eindruckt an ihrer Überzeugung fest und
reagierten mit einem ihrer berüchtigten
Nichtanwendungserlasse.
Allerdings wirkte die für derartige
Verwaltungserlasse stets angeführte
Begründung, der Bundesfinanzhof habe
schließlich nur über Einzelfälle entschie-
den und man müsse nun jeweils prüfen,
ob die althergebrachte Verwaltungsmei-
Von
Thomas Muschiol
nung in jedem anderen Fall nicht doch
greifen müsse, zunehmend peinlich. Die
Fälle, auf die sich die richterlichen Rü-
gen bezogen, waren nämlich geradezu
Paradebeispiele für vergleichbare Sach-
verhalte. Es war also vorhersehbar, dass
jedwede Klage gegen die Fortführung
der Verwaltungsmeinung postwendend
zur Aufhebung der entsprechenden Be-
steuerungsbescheide führen würde.
Gesetzesvorlage mit Erhöhungstrick
Wie aber kann es in einer solchen Situ-
ation der Finanzverwaltung gelingen,
ihre geliebte Betriebsveranstaltungsbe-
steuerung doch noch zu retten? Ganz
einfach, man schlägt die Gegenseite,
sprich den BFH, mit dessen eigenen
Waffen. Und so kam es dann auch. Nach
dem Motto: Wenn wir denn ein Gesetz
benötigen, dann schlagen wir dem Par-
lament schnell eines vor – selbstredend
ein solches, in dem die bisherige Mei-
nung der Verwaltung zu den Allgemein-
kosten und den Familienangehörigen
rechtssicher in echten Paragraphen er-
scheint. Danach heißt es nur noch, dies
möglichst unauffällig durch das Parla-
ment zu bekommen. Das wäre auch fast
gelungen, denn das „Veranstaltungsge-
setz“ begann mit einer guten Nachricht,
nämlich der Erhöhung der bisherigen
steuerlichen Freigrenze, von 110 Euro
auf 150 Euro pro Veranstaltung und
Teilnehmer.
Endgültiger Sieg durch Scheinrückzug
Allerdings durchschaute wohl ein Par-
lamentarierer, dass die großzügige Er-
höhung der Freigrenze angesichts der
vollständigen Durchsetzung der bisheri-
gen Verwaltungsmeinung nur ein Trick
sein sollte. War damit also der Plan der
Finanzbeamten gescheitert?
Mitnichten, denn jetzt griffen die
ertappten Beamten noch einmal in die
Trickkiste. Sie ersetzten die bisherige
Freigrenze von 110 Euro durch einen
Freibetrag in identischer Höhe. Ein An-
gebot, dass für sich genommen positiv
überraschte, machte es doch mit dem oft
kritisierten Alles-oder-Nichts-Prinzip
bei Freigrenzen Schluss. Gewonnen hat
bei diesem Schlussmanöver aber wohl
nur einer: der Fiskus. Denn die Verwal-
tungsmeinung zu den Allgemeinkosten
und Familienangehörigen wird Gesetz.
Angesichts dieser gelungenen Verteue-
rung von Betriebsveranstaltungen kann
der Fiskus die Nichtbesteuerungsanteile
innerhalb der neuen Freibetragsrege-
lung locker verschmerzen.
Das Ministerium schlägt zurück
KOLUMNE.
Zur Durchsetzung einer gerichtlich untersagten Verwaltungsmeinung
wurde eigens ein Gesetz geschaffen. Die Geschichte eines skurrilen Streits.
THOMAS MUSCHIOL
ist Rechtsanwalt und
Fachautor in Freiburg.
Die Finanzverwaltung
schlug dem Parlament
ein Gesetz vor, in dem
die bisherige Verwal-
tungsmeinung in Zu-
kunft gerichtsfest durch-
setzbar sein wird.