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TITEL
_
TARIFVERTRÄGE
N
ach mehreren Anläufen
wurde es nun auf den Weg
gebracht: Das Kabinett hat
einen ersten Vorschlag für
ein Gesetz zur Tarifeinheit beschlossen.
Dessen Geschichte reicht weit zurück:
Jahrzehntelang galt der Grundsatz „Ein
Betrieb, ein Tarifvertrag“. Den Regeln
des spezielleren Tarifwerks war der Vor-
rang gegenüber sachferneren Tarifver-
trägen einzuräumen. Im Jahr 2010 hat
Von
Michael Miller
(Red.)
das Bundesarbeitsgericht (BAG) dann
seine Rechtsprechung zur Tarifeinheit
aufgegeben und die Rechte der kleineren
Berufsgruppengewerkschaften gestärkt.
Umgehend und in einer bis dahin
nicht gekannten Übereinstimmung for-
derten Bundesvereinigung Deutscher
Arbeitgeberverbände (BDA) und Deut-
scher Gewerkschaftsbund (DGB) den
Gesetzgeber auf, das Prinzip der Ta-
rifeinheit nun in Gesetzesform zu gießen
– zunächst vergeblich. Erst einige Bahn-
und Lufthansa-Streiks später nahm die
aktuelle Regierung das Vorhaben 2013
zumindest in den Koalitionsvertrag auf.
Kurz vor der Sommerpause 2014 schien
es dann soweit: Bundesarbeitsministe-
rin Andrea Nahles wollte die Eckpunkte
eines Gesetzes dem Kabinett vorstellen.
In letzter Sekunde zog sie jedoch zurück.
Die unterschiedlichen Gremien und Mi-
nisterien werkelten letztlich noch bis
Ende November an einemReferentenent-
wurf, der nun in das parlamentarische
Verfahren eingebracht werden soll. Nach
der Rente ab 63 und dem Mindestlohn
Verdrängte Vielfalt
ÜBERBLICK.
Durch das Tarifeinheitsgesetz mischt der Gesetzgeber – auch auf Wunsch
der Gewerkschaften – in der Tarifpolitik mit. Das birgt Risiken für Arbeitgeber.
In Zeiten zunehmenden Fachkräftemangels
sind tarifvertraglich geregelte Arbeitsbe­
dingungen ein Gütesiegel, mit dem um die
besten Mitarbeiter geworben werden kann.
Dazu können auch tariflich geregelte Inhalte
wie etwa Weiterbildungsmaßnahmen oder
eine betriebliche Altersversorgung gehören.
Wichtig ist jedoch, dass ein Tarifvertrag nicht
überfrachtet wird und qualitative Themen
immer betriebliche Optionsmodelle haben –
und damit zu keinem über die betrieblichen
Möglichkeiten hinausgehenden Zwangskor­
sett werden. Letztlich ist ein Tarifvertrag für
Arbeitnehmer wie Arbeitgeber sehr attraktiv.
Viele Vorteile sprechen für einen Tarifvertrag
– hiervon ist keine Branche ausgenommen.
An erster Stelle steht die Friedenspflicht. Wie
wichtig diese für einen Betrieb ist, wurde
uns zuletzt eindrücklich vor Augen geführt.
Gerade bei vernetzten Lieferketten innerhalb
einer Branche ist die Friedenspflicht eine
entscheidende Sicherheit. Eine verlässliche
Kalkulationsgrundlage wird auch angesichts
der nationalen und internationalen Arbeits­
teilung immer wichtiger. Indem der Tarif­
vertrag Konflikte um Arbeitsbedingungen
aus den Betrieben weitgehend heraushält,
sichert er auch den Betriebsfrieden. Darüber
hinaus liefert er ein echtes Dienstleistungs­
angebot, wenn es um komplexe Rechtsma­
„Tarifvertrag als Gütesiegel“
MEINUNG
Ein Tarifvertrag bietet viele Vorteile – für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber. Welche diese sind,
was Tarifverträge leisten können und worauf die Tarifpartner künftig ihren Fokus legen soll-
ten, erklärt Andre Müller von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.
terien geht, die ansonsten die Arbeitsver­
tragsparteien individuell lösen müssten.
Auch künftig wird die Hauptaufgabe der Ta­
rifpartner sein, den Branchen- oder Flächen­
tarifvertrag als Kerninstrument der Tarifpoli­
tik einem sich wandelnden wirtschaftlichen
Umfeld anzupassen. Dieser Modernisierungs­
prozess läuft bereits seit Jahren erfolgreich.
Neben der Umsetzung einer produktivi­
tätsorientierten Lohnentwicklung verfügen
zahlreiche Branchen schon über notwendige
betriebliche Gestaltungsspielräume etwa
bei der Arbeitszeit- und Entgeltgestaltung.
Wichtig bleibt, dass sich dieser tarifpolitische
Modernisierungskurs fortsetzt.
ANDRE MÜLLER
ist
Abteilungsleiter Lohn-
und Tarifpolitik bei der
Bundesvereinigung
der Deutschen Arbeit­
geberverbände (BDA).