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könnte man die Grenzen so festlegen,
dass null bis zwei Punkte zur Einstu-
fung als Detraktor und acht bis zehn zur
Einstufung als Promoter führen. Möglich
wäre auch, auf die willkürliche Gruppie-
rung vollständig zu verzichten und nur
den Mittelwert zu betrachten.
Zweifelhafte Berechnung
Ein weiterer Kritikpunkt: Um den ENPS
zu berechnen, wird die Differenz aus
den Anteilen von Promotoren und De-
traktoren gebildet. Dieses Vorgehen ist
in mehrerer Hinsicht problematisch.
Erstens lässt die Differenz keine Rück-
schlüsse auf die Antwortverteilung
zu, da sich der gleiche ENPS-Wert aus
vollkommen unterschiedlichen Vertei-
lungen ergeben kann. Vergleichen wir
beispielhaft die beiden fiktiven Unter-
nehmen A und B: Während alle Mitar-
beiter von Unternehmen A die sieben
oder acht ankreuzen und damit als
passiv zufrieden gelten, teilt sich die
Belegschaft von Unternehmen B zu glei-
chen Anteilen in Detraktoren und Pro-
motoren auf. Zwar ergibt sich für beide
Unternehmen ein ENPS-Wert von null,
dennoch steht Unternehmen A zweifels-
ohne besser da als Unternehmen B.
Zweitens ist die Berechnung proble-
matisch, weil die Differenz von Promo-
toren und Detraktoren suggeriert, beide
Gruppen ließen sich gegeneinander auf-
rechnen – man also nur genügend Pro-
motoren brauche, um die Detraktoren
auszugleichen. Diese Annahme wider-
spricht jedoch Forschungsergebnissen,
die belegen, dass Negatives in vielerlei
Hinsicht schwerer wiegt als Positives.
Das ist auch im Aufsatz „Bad Is Stronger
Than Good“ von Roy F. Baumeister und
anderen aufgeführt. Entgegen der ENPS-
Annahme kann also ein einziger Detrak-
tor für das Unternehmen mehr Schaden
anrichten als mehrere Promotoren wie-
dergutmachen können. Ein ausgegli-
chenes Verhältnis von Promotoren und
Detraktoren ist daher nicht erstrebens-
wert, sondern kann fatale Folgen haben.
Schlussendlich ist die Differenz zwei-
er relativer Häufigkeiten nicht leicht
zu interpretieren. Die Verwendung von
Prozentwerten legt die falsche Interpreta-
tion nahe, +30 bedeute „30 Prozent mehr
Promotoren als Detraktoren“.
Diese Kritikpunkte könnte man abmil-
dern, wenn man auf die Verrechnung von
Promotoren und Detraktoren verzichten
würde. Detraktoren würden dann direkt
ins Auge fallen und sich nicht durch Pro-
motoren kaschieren lassen. Zudemwürde
die Interpretation der Befragungsergeb-
nisse vereinfacht und falschen Schluss-
folgerungen vorgebeugt. Möchte man nur
eine einzige Kennzahl betrachten, sollte
der Fokus auf den Detraktoren liegen, da
diese potenziell schädlicher sind als Pro-
motoren nützlich.
Ungenaue Messung
Ein weiteres Problemfeld beim ENPS
liegt in der Messgenauigkeit: Sie ist ein
zentrales Qualitätsmerkmal psycholo-
gischer Messinstrumente. Folgt man
der klassischen Testtheorie, so steigt die
Messgenauigkeit mit der Anzahl der Fra-
gen. Da der ENPS auf nur einer einzigen
Frage basiert, ist er starken Zufalls-
schwankungen ausgesetzt, sprich: un-
genau. Hat ein Mitarbeiter zum Beispiel
die Acht angekreuzt, könnte der eigent-
liche Wert auch bei zehn oder sechs lie-
gen. Die Ungenauigkeit des ENPS kann
also dazu führen, dass Personen in die
falsche Gruppe einsortiert werden und
dadurch das Gesamtergebnis verzerren.
Der ENPS verspricht mit nur
einer Zahl das Engagement
der Belegschaft zu erfassen.
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an