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ORGANISATION
_MITARBEITERUMFRAGE
personalmagazin 03 / 15
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
BENJAMIN HAARHAUS
ist
Berater bei der Deutschen
Gesellschaft für Personalwe-
sen e.V. (DGP).
Da der Einfluss des Messfehlers mit
steigender Teilnehmerzahl geringer
wird, ist der ENPS vor allem bei klei-
neren Teams und Abteilungen anfällig
für zufällige Schwankungen. Daher ist
es ratsam, den ENPS nur bei größeren
Teilnehmerzahlen, zum Beispiel auf Un-
ternehmensebene, zu betrachten.
Fragwürdige Validität
Sowohl NPS als auch ENPS fragen nach
einer Bereitschaft zur Weiterempfeh-
lung. Im Gegensatz zum NPS geht es
beim ENPS aber nicht vorrangig um
eine tatsächliche Empfehlung, sondern
um die Ursachen, die man hinter der Be-
reitschaft vermutet. Wer sein Unterneh-
men im Freundes- und Bekanntenkreis
als Arbeitgeber empfiehlt, steht mit
seinem Namen für das Unternehmen
ein. Nur wer von seinem Unternehmen
vollkommen überzeugt ist, wird bereit
sein, das damit verbundene persönliche
Risiko zu tragen. Deshalb wird ange-
nommen, dass eine hohe Weiteremp-
fehlungsbereitschaft auf ein hohes Maß
an Loyalität, Zufriedenheit und Engage-
ment schließen lasse. Empirische Evi-
denz hierzu ist jedoch rar und hat meist
eher anekdotischen Charakter – der
Beleg besteht also eher im Hörensagen.
Belastbare Aussagen darüber, was der
ENPS tatsächlich erfasst, lassen sich auf
dieser Grundlage kaum treffen.
Sehen wir uns die ENPS-Frage einmal
genauer an: Sie bezieht sich nur auf einen
einzigen Aspekt der Arbeit, nämlich auf
das Unternehmen. Die Antwort auf diese
Frage hängt also vor allem davon ab, wie
die Mitarbeiter verschiedene Eigenschaf-
ten des Unternehmens, wie zum Beispiel
das Prestige, Sozialleistungen und die
Unternehmenskultur, wahrnehmen und
bewerten. Daher liegt die Vermutung na-
he, dass der ENPS etwas über die Einstel-
lung und die Bindung zum Unternehmen
aussagt. Tatsächlich weisen vereinzelte
Studien darauf hin, dass der ENPS vor
allem die Loyalität oder emotionale Bin-
dung zum Unternehmen erfasst. Die
ENPS-Frage findet sich teilweise auch in
wissenschaftlichen Skalen zur Messung
der Arbeitgeberattraktivität und der Zu-
friedenheit mit dem Unternehmen.
Doch verrät uns der ENPS auch etwas
über das Engagement der Mitarbeiter?
Zur Beantwortung dieser Frage ist zu-
nächst zu klären, was unter Engagement
zu verstehen ist. In der Arbeitspsycholo-
gie versteht man darunter einen länger-
fristigen, als angenehm empfundenen
Zustand, der sich durch hohe Einsatzbe-
reitschaft und Enthusiasmus auszeich-
net. Hoch engagierte Mitarbeiter gehen
in ihrer Arbeit auf, sind voller Energie
und erleben ihre Arbeit als sinnvoll und
herausfordernd. Im Gegensatz zur Loya-
lität bezieht sich das Engagement nicht
auf das Unternehmen, sondern auf die
Arbeit oder Tätigkeiten. Dass der ENPS
Rückschlüsse auf das Engagement der
Mitarbeiter zulässt, ist daher zu bezwei-
feln. So wäre es möglich, dass sich ein
Mitarbeiter dem Unternehmen verbun-
den fühlt, die tägliche Arbeit jedoch als
langweilig empfindet. Ein anderer Mit-
arbeiter mag seine Arbeit als spannend
wahrnehmen, würde aber auch für ein
anderes Unternehmen arbeiten, wenn
sich die Möglichkeit ergäbe.
Wie oben angemerkt, sollte der ENPS-
Wert auch mit der Zufriedenheit mit
dem Unternehmen zusammenhängen.
Aus der Zufriedenheitsforschung weiß
man jedoch, dass es weniger auf die Zu-
friedenheit mit der Arbeitsumgebung
ankommt, sondern auf die Zufriedenheit
mit den Tätigkeiten. Studien zeigen, dass
Leistung, Motivation und Kündigungsab-
sicht vor allem davon abhängen, ob man
mit der konkreten Arbeit oder Tätigkeit
zufrieden ist. Selbstverständlich spielt
auch die Zufriedenheit mit den Rah-
menbedingungen der Arbeit eine Rolle,
wenngleich eine deutlich geringere.
Da sich der ENPS also hauptsächlich
auf das Unternehmen bezieht, sollte er
möglichst um weitere Fragen ergänzt
werden, um auch tätigkeitsbezogene As-
pekte zu berücksichtigen. Hierfür sollte
man auf validierte Kurzskalen, wie bei-
spielsweise die „Utrecht Work Engage-
ment Scale (UWES-9)“, zurückgreifen.
Diese ist hoch reliabel, valide und in
mehreren Sprachen verfügbar.
Vor- und Nachteile des ENPS
Insgesamt löst der Employee Net Promo-
ter Score sein Versprechen, mit nur ei-
ner einzigen Frage Loyalität, Zufrieden-
heit und Engagement der Belegschaft zu
erfassen, nur teilweise ein. Zwar ist es
richtig, dass eine ENPS-Befragung deut-
lich weniger zeitlichen und finanziellen
Aufwand verursacht. Aber eine umfang-
reiche Mitarbeiterbefragung erfasst ein
breiteres Spektrum an Informationen
und kann somit ein detaillierteres Stim-
mungsbild der Belegschaft zeichnen. Da-
rüber hinaus lassen sich Fragen zu Ar-
beitsbedingungen, Belastungsfaktoren
und zur Gesundheit integrieren, sodass
die durch das Arbeitsschutzgesetz vorge-
schriebenen Gefährdungsbeurteilungen
mit durchgeführt werden können.
Die Idee, sich auf wenige zentrale
Kennwerte zu konzentrieren und diese
in kürzeren Intervallen zu erfassen, ist
dennoch lohnend: So lassen sich durch
den stetigen Informationsfluss Hand-
lungsbedarfe schneller erkennen und
die Auswirkungen von Veränderungs-
prozessen genauer verfolgen als mit
einer jährlichen, großen Befragung. Be-
hebt man die methodischen Mängel des
ENPS und erweitert ihn um tätigkeitsbe-
zogene Fragen, kann er die jährliche Mit-
arbeiterbefragung zwar nicht ersetzen,
aber sinnvoll ergänzen.
Für eine Studie zum Thema Arbeits-
zufriedenheit werden zurzeit Teams
und Arbeitsgruppen gesucht, die einen
kurzen Fragebogen ausfüllen. Um die
Forschung zu unterstützen, können Sie
sich per E-Mail an Benjamin Haarhaus
wenden:
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