Seite 36 - personalmagazin_2015_03

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MANAGEMENT
_SERIOUS GAMES
personalmagazin 03 / 15
N
evzat Agbal klickt um 7.45
Uhr, wenn er seinen PC hoch-
fährt, als Erstes auf Vodafone-
Xplain. Der Vertriebler, der in
Göttingen und Umgebung 20 Agenturen
des Düsseldorfer Telekommunikations-
riesen betreut, startet den Arbeitstag
gern mit einem Video – mal zur Kunden-
datenverwaltung, mal zu Kabel Deutsch-
land. „Ich kann mir gut merken, was ich
im Film sehe“, sagt der 36-Jährige. „Der
Schauspieler erklärt super, worum es
geht.“ Der Schauspieler, das ist ein jun-
ger Vodafone-Mitarbeiter mit dunklem
Bärtchen, der den richtigen Ton trifft.
Manchmal schiebt Agbal ein Quiz
hinterher. Vor allem aber bezieht der
Vertriebsprofi seine Mitarbeiter ein. In
zwei Whatsapp-Gruppen sendet er ih-
nen spannende Lernkarten mit knapp
gebündelten Informationen. „Das bringt
eine immense Zeitersparnis und ist der
reine Spaß“, begeistert sich Agbal.
Auf der LernplattformVodafone-Xplain
können rund 1.000 Filialmitarbeiter und
8.000 externe Verkäufer miteinander
spielen und kommunizieren. Das Pro-
gramm steht für interaktives Lernen in
der digitalen Generation: „Gefällt-mir“-
Buttons und „Teilen mit Freunden“ sind
Von
Ruth Lemmer
gängige Klicks im sozialen Netzwerk,
Punkte sammeln und das Erreichen
der nächsten Ebene in Wissensspielen
beliebt, Quizformate haben es vom TV
in die mobile Welt geschafft und Favo-
riten machen individuelle Varianten
möglich. Das tägliche Geschäft findet
sich auf Xplain von der aktuellen Hard-
ware über Tarifinformationen bis zu
Verhaltenstrainings wieder – und zwar
als Selbsttest. „Wir verzichten auf eine
Auswertung“, betont Alexander Krause,
in der Personalentwicklung für die inter-
nen Lernplattformen verantwortlich. Für
ihn „macht die permanente inhaltliche
Weiterentwicklung die Attraktion aus“.
Verändert sich ein Vodafone-Produkt,
müssen die Programmierer, so Krause,
„ein schönes neues E-Learning-Tool bau-
en und schnell integrieren“.
Aktualität und Alltagstauglichkeit
entscheiden darüber, ob Mitarbeiter
Wissensspiele akzeptieren. Das Online-
Spiel soll Spaß machen, aber Beschäf-
tigte wollen sich nicht veralbert fühlen.
Der Inhalt muss zum Job passen. Sind
diese Voraussetzungen erfüllt, kommen
vom schnellen Check fürs Recruiting,
dem Klick-Spiel in der Ausbildung und
im Traineeprogramm, dem optischen
Appetithappen in der Weiterbildung
bis zum Wargame für Spitzenmanager
PC und mobile Geräte erfolgreich zum
Einsatz. „In der Berufsfindung, bei der
Personalsuche und in der Weiterbildung
muss man immer wieder fragen, ob das
Online-Spiel seinen Zweck erfüllt“, sagt
Professor Wolfgang Jäger, Medienwirt-
schaftler an der Hochschule Rhein-Main
in Wiesbaden.
So wecken Karriere-Websites Neugier-
de und Spieltrieb, werden aber gleich
ernsthaft. Beim Energieversorger RWE
werden zur Berufsorientierung Aufga-
ben gestellt: Industriemechaniker müs-
sen erkennen, wie sich drei miteinander
verbundene Zahnräder drehen. Die Luft-
hansa legt offen, wie ihre Bewerbungs-
tests funktionieren – und lädt online
zum Üben ein. Der Hotelkonzern Accor
lässt Interessenten das Quiz „A World
for Talents“ machen. Sieger erhalten ei-
ne Urkunde, die sie mit der Bewerbung
einreichen sollen. Die Versicherung Axa
setzt auf ein Gewinnspiel für Studenten
und Absolventen: Sie reisen online um
die Welt – und einer gewinnt real eine
Reise samt zwei Praktika.
„Welt des Chefs ist kein Schlachtfeld”
Im Traineeprogramm haben Unterneh-
mensplanspiele mit Wettbewerbscha-
rakter Tradition – früher auf Papier,
jetzt per PC: Schon vor rund 40 Jahren
entwickelte das Universitätsseminar der
Wirtschaft auf Schloss Gracht die Un-
ternehmenssimulation Marga. Spieler
entscheiden in Teams, treten gegenein-
ander an und die Folgen ihrer Entschei-
dungen werden direkt gespiegelt: Wird
das Marketingbudget überstrapaziert,
fehlt Geld zur Reparatur von Maschi-
nen. Werden Maschinen nicht repariert,
stoppt die Auslieferung von Produkten.
Aktuelle Einflüsse werden heute sofort
online eingepflegt. „Wir spielen Rea-
lität und schaffen so Relevanz“, setzt
sich Marga-Geschäftsführer Christoph
Heinen von bunt-krachigen Wargames
ab. „Denn wenn Sie dem Chef über die
Spielend lernen
PRAXIS.
Raten und ranken, zocken und punkten: Wie Unternehmen den Spieltrieb
­von Bewerbern und Berufseinsteigern, von Mitarbeitern und Managern nutzen.
SELBST SPIELEN
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