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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
des Konsumgüterherstellers Henkel. Des-
halb sei es so wichtig, die lokalen Bedürf-
nisse und kulturellen Gegebenheiten zu
verstehen. „Das geht aber – überspitzt
gesagt – nicht, wenn ein Team bestehend
aus rein deutschen, männlichen Beschäf-
tigten in China ein neues Haarpflegepro-
dukt für die weibliche Kundschaft auf den
Markt bringen will“, so Menges.
Strategien gegen Schubladendenken
Auch wenn wir uns noch so anstrengen
– allein das Wissen um unser Schubla-
dendenken reicht nicht aus, um es zu
überwinden. Insbesondere gebildeten
Menschen fällt es schwer, unbewusst
getroffene Fehlentscheidungen zu er-
kennen. Denn sie sind sehr geschickt
darin, plausible Erklärungen für ihre
unbewussten Vorurteile zu finden. Um
unbewusste Denkstrukturen zu kontrol-
lieren, kommt es darauf an, die eigene
Wahrnehmung zu reflektieren und Ent-
scheidungen zu hinterfragen. Zudem
gibt es erprobte Ansätze für den erfolg-
reichen Umgang mit unbewussten Vor-
annahmen in Unternehmen.
Das von den Diversity-Expertinnen
Tinna C. Nielsen und Lisa Kepinski
entwickelte Konzept der sogenannten
„Inclusion Nudges“ wird auch im Dos-
sier „Vielfalt erkennen“ der Charta der
Vielfalt e.V. vorgestellt. Darin wirft der
Verein gemeinsam mit renommierten
Persönlichkeiten aus Politik, Gesell-
schaft, Wissenschaft und Wirtschaft ein
Schlaglicht auf das noch junge und doch
so entscheidende Thema für das Diver-
sity Management. Die drei „Inclusion
Nudges“ (siehe Kasten) sind mentale
Anstupser, die einen Aha-Effekt auslö-
sen. Sie helfen, sich die komplexen unbe-
wussten Prozesse vor Augen zu führen
und Alternativen zu stereotypen Denk-
modellen wahrzunehmen.
Nielsen und Kepinski zeigen mit ihren
drei mentalen Anstupsern unterschied-
liche Wege, Stereotype zu überwinden.
Die noch jungen wissenschaftlichen
Konzepte finden bereits in deutschen
Unternehmen, die auch die Charta der
Vielfalt unterzeichnet haben, Anwen-
dung. Einige Organisationen stellen im
Folgenden ihre erfolgreiche Arbeit mit
den gezeigten Ansätzen vor.
„Feel the need“ in der Praxis:
BASF setzt auf das Aha-Erlebnis
„Wir nutzen Elemente in unseren Trai-
nings, kleine Gedanken-Anstupser, soge-
nannte „Nudges“, die die Teilnehmerin-
nen und Teilnehmer selbst spüren lassen,
wie unbewusste Prozesse im Gehirn ihre
Wahrnehmungen und ihre Entscheidun-
gen beeinflussen“, sagt Dr. Axel Jentzsch,
Mitglied des globalen Diversity + Inclu-
sion-Teams von BASF. Das Chemieunter-
nehmen startete 2013 die Trainingsreihe
„Manage your blind spots“ für seine Be-
schäftigten, um sie für das Thema „unbe-
wusste Vorurteile“ zu sensibilisieren und
ihnen Methoden zu vermitteln, die Aus-
wirkungen unbewusster Vorannahmen
zu verringern. Um ihre eigenen „blinden
Flecken“ zu finden, erhalten die Teilneh-
merinnen und Teilnehmer Informatio-
nen zu den komplexen neurologischen
Abläufen im Gehirn und erleben die
Phänomene durch eigene Erfahrungen.
Bekannt ist beispielsweise das Expe-
riment mit dem „unsichtbaren Gorilla“.
Darin erleben die Teilnehmer während
der Beobachtung einer Situation, dass
ihnen vieles andere entgeht, sobald sie
sich auf einen Sachverhalt konzentrie-
ren. Ähnliche Erfahrungen machen die
BASF-Beschäftigten in den Trainings.
„Wir setzen auf das Aha-Erlebnis“, sagt
Jentzsch. „Das Wissen darüber, dass kog­
nitive Verzerrungen nicht vermeidbar
sind und es nicht um persönliche Fehler
geht, schafft Erleichterung und ermögli-
cht den offenen und konstruktiven Um-
gang.“ Im zweiten Teil der eintägigen
Workshops werden die Erkenntnisse
Die Diversity-Expertinnen Tinna C. Nielsen und Lisa Kepinski haben das Konzept der
sogenannten „Inclusion Nudges“ entwickelt. Es handelt sich dabei um mentale An-
stupser, die einen Aha-Effekt auslösen sollen.
1. „Feel the need“: Sensibilisierung durch Erfahrung
Dahinter steht die Idee, dass es einen Unterschied mache, ob jemand nur anhand von
Fakten um die Notwendigkeit von inklusivem Verhalten weiß. Nielsen und Kepinski glau­
ben, dass allein das rationale Wissen nicht ausreicht, um die Dimension des Themas zu
begreifen und sensibilisiert für das Thema zu sein. Beim Ansatz „Feel the need“ steht die
persönliche Erfahrung im Vordergrund. So sollen Führungskräfte im Coaching beispiels­
weise selbst erleben, sich von einer Gruppe ausgeschlossen zu fühlen.
2. System/Process-Nudge: Strukturen analysieren und verändern
Die Strategie stellt die in Organisationen vorhandenen Abläufe infrage. Die Expertinnen
raten, die Prozesse und Strukturen nach kritischen Punkten für eine voreingenommene
Personalauswahl zu analysieren und gegebenenfalls zu verändern. Alle Abläufe, die
mit der Beurteilung von Beschäftigten zu tun haben, gehören dazu: von der Stellenaus­
schreibung, die das Kompetenzprofil neutral abbildet, über standardisierte Auswahlver­
fahren bis hin zum Vieraugenprinzip in der Personalarbeit.
3. „Framing Nudge“: Perspektivwechsel erwünscht
Die Methode beruht auf der Annahme, dass ein Perspektivwechsel oder die Einord­
nung eines Themas in einen anderen Bezugsrahmen neue Einsichten bringen können.
Beispiel Quoten: Klassischerweise legen Unternehmen einen bestimmten Prozentsatz
von Frauen in Führungspositionen als Ziel fest. Ein möglicher Perspektivwechsel wäre,
die Heterogenität des Teams in den Mittelpunkt zu rücken. Wenn stattdessen maximal
70 Prozent der Mitglieder das gleiche Geschlecht haben sollen, verschiebt sich der Blick
von der vermeintlichen Minderheit auf das zu erreichende Ziel, nämlich hin zur Leis­
tungsfähigkeit eines diversen Teams.
Mentale Anstupser
INCLUSION NUDGES
QUELLE: CHARTA DER VIELFALT, DOSSIER „VIELFALT ERKENNEN”