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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
personalmagazin:
Wankt das Modell, wenn
eine Säule nicht wie erhofft funktioniert?
Rübling:
Nein, darin liegt ja gerade der
Trick der ganzen Geschichte. Wollen die
Mitarbeiter keine andere Arbeitszeit,
keine Auszeit oder kein Geld ansparen,
dann müssen sie es auch nicht machen.
Das war übrigens auch ein gewichtiges
Argument bei der Einführung: Wir füh-
ren keine Veränderung ein, bei der so-
fort alle mitmachen müssen.
personalmagazin:
Gab es Anpassungen?
Rübling:
Nein. Auch, weil wir festgestellt
haben, dass wir in der Organisation kei-
ne Schwierigkeiten bekommen, etwa bei
der Personalplanung. Der Mehraufwand
ist gering, zumal IT-Systeme unterstüt-
zen. Natürlich ist es etwas Zusatzarbeit,
einen Mitarbeiter im Sabbatical vorü-
bergehend zu ersetzen. Das ist jedoch
in Wachstumsphasen nicht gravierend
und gewinnt erst in wirtschaftlich
schwierigen Zeiten an Bedeutung. Letzt-
lich mussten wir vor allem im Control-
ling und in der Personalplanung noch
etwas genauer werden, zum Beispiel bei
der Definition von Stellenplanungen.
personalmagazin:
Was ist künftig geplant?
Rübling:
Momentan denke ich über eine
Weiterentwicklung des Modells für
spezielle Gruppen nach, zum Beispiel
für ältere Mitarbeiter. Wie kann es ein
Arbeitszeitmodell Älteren ermöglichen,
nach ihren Bedürfnissen zu arbeiten?
Allerdings habe ich noch keine konkre-
ten Vorschläge, die spruchreif sind.
„Evolution statt Revolution“
INTERVIEW.
Mit­arbeiter, die ihre Wochenstunden selbst bestimmen: Vor Jahren sorgte
das Arbeitszeitmodell für Aufsehen. Nun zieht der Trumpf-Arbeitsdirektor ein Fazit.
personalmagazin:
Herr Rübling, im Per-
sonalmagazin 10/2011 haben wir Ihr
Arbeitszeitmodell vorgestellt. Wie ist Ihr
Fazit nach drei Jahren Wahlarbeitszeit?
Gerhard Rübling:
Das Modell läuft gut und
wir sind zufrieden, vor allem, weil es
am Bewerbermarkt für Aufmerksamkeit
gesorgt hat. Es wirkt aber auch als Bin-
dungsmaßnahme für Mitarbeiter.
personalmagazin:
Wie viele Arbeitnehmer
machen mit und welche Zeit wählen sie?
Rübling:
Die Mehrheit erhöht die Ar-
beitszeit, am Anfang war das Verhält-
nis 90 zu zehn. Zuletzt, die Mitarbeiter
konnten nun zum zweiten Mal ihre Ar-
beitszeit wählen, sind 70 Prozent nach
oben abgewichen. Das sorgt für mehr
Bewegung. Die Teilnahmequote ist von
elf auf 14 Prozent gestiegen. Das ist in
Ordnung und spiegelt meine ursprüng-
liche Einschätzung, dass solche Kultur-
veränderungen evolutionär stattfinden.
Es braucht Zeit, das ist keine Revolution.
personalmagazin:
Woran liegt das?
Rübling:
Ich meine, dass die Mitarbeiter
ihren Lebensplan im Kopf haben. Je äl-
ter, desto fester. Wenn sie jahrelang fünf
Mal die Woche acht Stunden pro Tag
arbeiten, dann müssen Mitarbeiter erst
soziale Erfahrungen sammeln, wenn
plötzlich auch die Vier-Tage-Woche oder
gar ein Sabbatical möglich sind. Sie
brauchen also Zeit, um zu beobachten,
wie Kollegen und Vorgesetzte damit
umgehen, ob man trotz Auszeit den An-
schluss hält oder wie es anderen ergeht.
personalmagazin:
Neben der Wahlarbeits-
zeit umfasst das Programm zwei weitere
Säulen. Wie kommen die an?
Rübling:
Das Thema „Sabbatical“ hat si-
cher besser eingeschlagen, als ich das
erwartet habe. Das Modell funktioniert
ähnlich wie die Altersteilzeit mit einer
Anspar- und einer Freizeitphase. Dort
haben wir durchgehend etwa 60 bis 80
Mitarbeiter im Programm, die die Aus-
zeit zum Beispiel für Weiterbildungen
oder Reisen nutzen. Nicht so gut ange-
kommen ist das Familien- und Freizeit-
konto. Dabei legen die Mitarbeiter Geld,
das sie heute verdienen, auf die Seite, um
später dafür frei zu nehmen. Aber Geld
zurücklegen für eine schwer einzuschät-
zende Situation in zwei oder fünf Jahren,
dafür ist die Bereitschaft eher gering.
Das Interview führte
Michael Miller.
DR. GERHARD RÜBLING
ist Arbeits­
direktor und Geschäftsführer der Trumpf
GmbH + Co. KG.
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