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Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
personalmagazin:
Ist Arbeitszeitfreiheit für
leitende Angestellte denkbar? Schließlich
gilt für sie das Arbeitszeitgesetz nicht.
Kühl:
Auch für leitende Angestellte gilt
jedoch – wie auch für andere Mitarbei-
ter – das Nachweisgesetz. Danach sind
die Mitarbeiter über den Arbeitsvertrag
oder über eine schriftliche Mitteilung zu
den wesentlichen Arbeitsbedingungen,
also auch zur vereinbarten Arbeitszeit,
zu informieren. Zwar existieren nach
wie vor Formulierungen, die gerade
höher positionierte Mitarbeiter dazu
verpflichten, ihre gesamte Arbeitskraft
in den Dienst des Unternehmens zu stel-
len. Solche Klauseln entsprechen jedoch
nicht dem Nachweisgesetz, da Mindest-
vorgaben zur Arbeitszeit fehlen – auch,
um das Verhältnis von Vergütung und
Arbeitsleistung einzuordnen und abzu-
wägen, ob zum Beispiel Überstunden
mit der Vergütung abgegolten sind.
personalmagazin:
Wie steht eigentlich das
Sozialversicherungsrecht zu dem Modell?
Kühl:
Sind nur Ziel und Zeitrahmen
vorgegeben, könnte im Extremfall gar
keine abhängige Beschäftigung vor-
liegen. Schließlich verzichtet der Ar-
beitgeber zum Großteil auf das Wei-
sungsrecht und die Eingliederung in
die Betriebsorganisation. Letztlich
erfolgt die Einordnung anhand ver-
schiedener Indizien, die bei der Ar-
beitszeitfreiheit fehlen könnten. Das
Risiko: Der Mitarbeiter könnte künftig
keine Leistung verlangen – obwohl in die
Leistungssysteme eingezahlt wurde.
„Stichproben durchführen“
INTERVIEW.
Mehr Ergebnisse, weniger Kontrolle: Welche gesetzlichen Grundlagen
beim Modell der Arbeitszeitfreiheit zu beachten sind, erklärt Christof Kühl.
personalmagazin:
Nicht die Zeit, sondern
das Ergebnis zählt bei der Arbeitszeitfrei-
heit. Was meint der Arbeitsrechtler dazu?
Christof Kühl:
Wenn man das Modell be-
trachtet, so handelt es sich letztlich um
eine radikale Form der Vertrauensar-
beitszeit, die sich wohl nur für einige
Berufe eignet. Rechtlich sind zwei As-
pekte zu beachten: Es muss der Umfang
der regelmäßigen Arbeitszeit geregelt
sein. Legt der Arbeitsvertrag nichts
fest, gilt die betriebsübliche Arbeitszeit.
Wann die Arbeitszeit erbracht und ob
sie ungleichmäßig über die Wochen ver-
teilt wird, ist dagegen frei. Arbeitgeber
können also mit Mitarbeitern bestimm-
te Ziele in einem bestimmten Zeitraum,
wie das bei der Arbeitszeitfreiheit ge-
wollt ist, vereinbaren. Zudem sind die
gesetzlichen Vorgaben, bestehende
tarifvertragliche oder betriebsverfas-
sungsrechtliche Regeln einzuhalten.
personalmagazin:
Wie etwa das Arbeitszeit-
gesetz, das eine tägliche Arbeitszeit von
acht, maximal zehn Stunden vorschreibt?
Kühl:
Zum Beispiel. Wobei laut Gesetz
die über acht Stunden hinausgehende
Zeit innerhalb von sechs Monaten oder
24 Wochen in Freizeit auszugleichen ist.
Zudem ist die Mehrarbeit zu dokumen-
tieren, was Arbeitgeber jedoch auf Mit-
arbeiter übertragen können. Und: Das
Verbot von Sonn- und Feiertagsarbeit ist
zu achten. Die Einhaltung der Vorschrif-
ten haben Arbeitgeber zumindest in
Stichproben zu prüfen – gerade wenn es
dem Mitarbeiter überlassen wird, wann
er arbeitet. Schreibt dieser an einem Tag
also vier Stunden Mehrarbeit auf, muss
der Arbeitgeber darauf hinweisen, die
Zehn-Stunden-Grenze einzuhalten.
personalmagazin:
Was gilt bei Nachtarbeit?
Kühl:
Diese liegt – ohne Tarifvertrag – bei
mehr als zwei Stunden Arbeit zwischen
23 Uhr und sechs Uhr vor. Dabei gibt es
zwei Besonderheiten: Bei der täglichen
Arbeitszeit über acht Stunden verkürzt
sich der Ausgleichszeitraum auf einen
Monat oder vier Wochen. Zudem sollen
Unternehmen die zusätzliche Belastung
der Nachtarbeit finanziell ausgleichen.
Dem können sie jedoch mit entsprechen-
den Vertragsklauseln entgegentreten,
etwa mit dem Hinweis, dass die Nacht­
arbeit durch einen bestimmten Prozent-
satz der Vergütung abgegolten ist.
Das Interview führte
Michael Miller.
CHRISTOF KÜHL
ist Fachanwalt für Arbeits-
recht bei Beiten Burkhardt sowie Lehrbeauf-
tragter an der Universität Bamberg.