Seite 20 - personalmagazin_2015_03

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TITEL
_ARBEITSZEIT
personalmagazin 03 / 15
motivieren, sondern sie auch unter
Druck setzen. Letztlich könnte dies zu
mehr Fehltagen aufgrund von Burnout
und psychischer Probleme führen.
Betriebskosten: Rowe führt dazu, dass
Mitarbeiter häufiger außerhalb des Bü-
ros arbeiten, somit weniger Büroräume
brauchen und damit Betriebskosten
gespart werden. Die Möglichkeit, über
große Entfernungen hinweg zusam-
menzuarbeiten, spart außerdem Entsen-
dungskosten. Auch die Personalkosten
vermindern sich, da Firmen etwa keine
Überstunden mehr bezahlen. Allerdings
steigen mit Rowe die Kosten für die
IT-Infrastruktur: Da mit der Arbeits-
zeitfreiheit die Mitarbeitermobilität zu-
nimmt, muss hier aufgerüstet werden.
Auswirkungen auf die Mitarbeiter
In Hinsicht auf Mehrwert und Risiken
für die Mitarbeiter ergab sich Folgendes.
Zufriedenheit und Wohlbefinden der
Mitarbeiter: Mitarbeiter in Rowe-Mo-
dellen können den empirischen Bele-
gen zufolge ihre zeitliche Steuerung
verbessern; dadurch kommt es etwa zu
weniger Konflikten zwischen Arbeit und
Privatleben. Dies schlägt sich in Zufrie-
denheit und Wohlbefinden sowie einem
höheren Commitment der Mitarbeiter
nieder. Auf der anderen Seite besteht
jedoch ein Risiko: Da der Fokus auf den
Ergebnissen und nicht auf Arbeitszeit
als Leistungsindikator liegt, bleibt ein
Großteil der Arbeitsanstrengungen und
-leistungen des Mitarbeiters unsichtbar
und wird folglich nicht honoriert. Kön-
nen sie keine messbaren Ergebnisse
erreichen, verspüren die Mitarbeiter
zudem neben den Leistungsanforderun-
gen auch einen erhöhten existenziellen
Druck und laufen Gefahr, sich selbst
auszubeuten.
Stress: Ein weiteres Risiko, das sich
in den Studien ergeben hat, ist, dass
bei Rowe die Grenze zwischen dem
Einflussbereich von Arbeit und Priva-
tem verschwimmen kann. Andererseits
stellten die Studienautoren fest, dass
sich die Arbeitszeitfreiheit positiv auf
die Mitarbeitergesundheit auswirkt –
beispielsweise auf den Alkohol- und Ta-
bakkonsum. Weniger eindeutig sind da-
gegen die Befunde zum Arbeitspensum:
Eine Analyse empirischer Daten, die
auf dem Sozio-oekonomischem Panel
(SOEP) beruhen, offenbart, dass bei Ver-
trauensarbeitszeitmodellen die Über-
stundenzahl durchschnittlich von zwei
auf fünf Stunden pro Woche ansteigt.
Rowe mit Zeiterfassung kombinieren
Die Befunde zeigen, dass Arbeitszeitfrei-
heit zumindest theoretisch zu einer Win-
Win-Situation für Organisationen und
Mitarbeiter führen kann. Doch wurden
bei den Studien auch eine Reihe von Ri-
siken gefunden, vor allem in Stichproben
aus Deutschland. Damit Arbeitszeitfrei-
heit zur Wertschöpfung beitragen kann,
muss das Management einige Vorausset-
zungen schaffen, wie der Kasten mit dem
Titel „Prinzipien“ zeigt. Eine Empfehlung
lautet etwa, das Rowe-Modell mit Zeiter-
fassung durch die Mitarbeiter selbst zu
kombinieren. Damit können die Mitarbei-
ter ihre Arbeitszeit besser einteilen und
im Sinne der Selbstbestimmung ihr Recht
auf Freizeit und Urlaub besser durchset-
zen. Zudem wird auf diese Weise das
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
gewahrt.
Um den Mehrwert von Rowe zu stei-
gern, sollten auch nationale Vergütungs-
und Arbeitszeitgesetze aktualisiert
werden – damit sie Mitarbeiter schüt-
zen, aber auch alte Ideen zur Arbeits-
zeitflexibilisierung hinter sich lassen.
PROF. DR. MAIKE ANDRE-
SEN
ist Inhaberin des BWL-
Lehrstuhls an der Universität
Bamberg.
ARBEITSZEITSOUVERÄNITÄT
QUELLE: MAIKE ANDRESEN
Die Grafik zeigt die Bedingungen für Arbeitszeitsouveränität. Die Komponenten oben
bilden die organisationale Ebene, die untere Komponente die Mitarbeiterebene ab.
Selbstkontrolle
Spielraum schaffen, um
Arbeitszeit anzupassen
(Umfang, Verteilung etc.)
(dürfen)
ARBEITSZEIT­
SOUVERÄNITÄT
ORGANISATIONALE EBENE
externe Kontrolle in
der Organisation reduzieren
Bedingungen schaffen, die zur
Selbstkontrolle befähigen
(können)
Selbstmanagement
das Recht zur Selbstkontrolle
tatsächlich nutzen
(wissen, wagen, wollen, tun)
INDIVIDUELLE EBENE