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TITEL
_ARBEITSZEIT
personalmagazin 03 / 15
A
rbeitszeitflexibilisierung ist
in aller Munde. Doch wäh-
rend die meisten flexiblen Ar-
beitsmodelle wie Teilzeit und
Telearbeit weiterhin auf dem Erfassen
von Arbeitszeit beruhen, geht das Mo-
dell der Arbeitszeitfreiheit noch weiter:
Die Input-Kontrolle, das Erfassen der
Arbeitszeit, wird ersetzt durch eine Out-
put-Kontrolle, die Erfassung der Zieler-
reichung. Das bedeutet, dass Firmen mit
diesem Modell davon abrücken, Arbeits-
zeit mit Produktivität gleichzusetzen,
und sich stattdessen auf Ergebnisse und
Leistung fokussieren – daher wird Ar-
beitszeitfreiheit auch als „Results Only
Work Environment“ (Rowe) bezeichnet.
Voraussetzung dafür ist, den Mitarbei-
tern die Souveränität zu geben, selbst zu
bestimmen, wann, wie lange und wo sie
arbeiten, und dabei auch ihre privaten
Bedürfnisse berücksichtigen zu können
– wobei die Mitarbeiter betriebliche Be-
lange zu berücksichtigen haben.
Flexibilität kennzeichnet bei Rowe
also die normale Art zu arbeiten und
wird somit integraler Bestandteil orga-
nisationaler Praktiken und Kultur. Die
althergebrachte Überzeugung, dass
Überstunden und ständige Erreichbar-
keit Commitment signalisieren, wird mit
Rowe infrage gestellt.
Kernmerkmale von Rowe sind Dere-
gulierung, ergebnisorientierte Kontrolle
und Arbeitszeitsouveränität. Was dies
für die Arbeits­praxis bedeutet, zeigt die
Tabelle „Merkmale von Arbeitszeitfrei-
heit“. Als zentral erweist es sich hier-
bei zu gewährleisten, dass Mitarbeiter
souverän mit ihrer Arbeitszeit umgehen
können. Dafür ist von der Organisati-
on das Recht auf Selbstkontrolle und
reduzierte äußere Kontrolle gefordert,
während der Mitarbeiter sich selbst kon-
trollieren und managen können muss
(Abbildung „Arbeitszeitsouveränität“).
Wie die Voraussetzungen zur Arbeits-
zeitsouveränität zeigen, setzt Arbeits-
zeitfreiheit eine kollektive Anstrengung
voraus, die Organisationskultur zu än-
dern: Denn es muss zur Norm für die
Mitarbeiter werden, selbst zu kontrollie-
ren, wann, wie lange und wo sie arbeiten.
Herkömmliche Versuche, Arbeitszeit zu
flexibilisieren (Teilzeit- oder Telearbeit),
dagegen beruhen auf individuellen Ver-
einbarungen, die grundsätzlich die Zu-
stimmung des Vorgesetzten verlangen.
Status Quo von Rowe
Den Mehrwert dieses Arbeitszeitmo-
dells diskutieren die Stakeholder – Ar-
beitgeber, Mitarbeiter, Betriebsräte
– bisher allerdings kontrovers. Eine
große Herausforderung ist, dass es bis-
her nur wenig praktische Erfahrung mit
Arbeitszeitfreiheit gibt. Während Rowe
in vielen US-Firmen auf allen hierarchi-
schen Ebenen implementiert ist, wird
das Modell in Europa weniger genutzt
Ergebnisse, nicht Zeit messen
ÜBERBLICK.
Bei Arbeitszeitfreiheit zählen ausschließlich Ergebnisse. Welchen Mehr­
wert dies für Organisation und Mitarbeiter bietet und wie Risiken vermieden werden.
Von
Maike Andresen
Damit der Mehrwert von ROWE in Unternehmen die möglichen Risiken überwiegt, muss
das Management einige Voraussetzungen schaffen. Wissenschaftler haben auf Basis
der bisherigen empirischen Belege die folgenden Erfolgsfaktoren identifiziert.
• Anerkennung für Ergebnisse
• klare, objektive, messbare Ergebnisse
• kontinuierliche, objektive Performance-Dialoge
• klare, direkte und zeitnahe Konsequenzen für fehlende Leistung
• Belohnung für Effizienz
• zu gleichen Teilen Autonomie und Verantwortung
• eine Sprache, die sich darauf fokussiert, wie Mitarbeiter ihre Arbeit erledigen und
nicht darauf, wie sie ihre Zeit verbringen
• realistische Ziele, deren Planung auf einer Logik basiert, die die tatsächliche Arbeitsbe-
lastung widerspiegelt
• Arbeitszeitsouveränität in Kombination mit Zeiterfassung
• ein Vertrauensklima
• Ergebnisse, die nicht nur auf wirtschaftlichen, sondern auch auf sozialen Zielen beruhen
Erfolgsfaktoren für Arbeitszeitfreiheit
PRINZIPIEN
QUELLEN: MAIKE ANDRESEN, JODI THOMPSON, NICK KRATZER