Seite 17 - personalmagazin_2015_03

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Bei Fragen wenden Sie sich bit te
Nicht zuletzt schaffen betriebswirt-
schaftliche Erwägungen ein Span-
nungsfeld zwischen Freiheit und
Kontrolle. Einerseits verzichten Unter-
nehmen auf feste Präsenztage und auf
Angaben zur Arbeitszeit. Andererseits
muss für ein effektives Controlling der
Zeitaufwand für die einzelnen Projekte
und Produkte ermittelt werden. Zwar
behalten Unternehmen so die Kosten im
Blick, Mitarbeiter könnten sich jedoch
durch die Hintertür kontrolliert fühlen.
Im Ergebnis besteht so die Gefahr, die
positiven Motivationseffekte durch die
größere Zeitsouveränität wieder zu ver-
spielen.
Neben den Grenzen haben Persona-
ler bei zunehmender Arbeitszeitfrei-
heit auch das Thema „Überstunden“
im Blick zu behalten. Stehen die Ergeb-
nisse im Vordergrund, sollten sie in der
Theorie zwar nicht anfallen. Dies steht
und fällt jedoch mit den aufgetragenen
Zielen. Insofern sind Vorgesetzte – und
letztlich auch HR an der Seite der Füh-
rungskräfte – gefordert. Sie müssen
ihrer Verantwortung nachkommen, re-
alistische Ergebnisse von den Mitarbei-
tern zu erwarten.
Die Waagschalen zwischen möglicher
Frei­heit und nötiger Kontrolle müssen
Personaler mit dem passenden Arbeits-
zeitmodell für ihr Unternehmen präzise
aus­tarieren. Zumal Herausforderungen
hinsichtlich der Unternehmenskultur
anstehen. „Der wesentliche Punkt ist,
dass Mitarbeiter jetzt einmal mit ihrem
Vor­gesetzten grundsätzlich vereinbaren,
wann und wie sie flexibel arbeiten, statt
jedes Mal erklären zu müssen, warum
sie zu Hause am Computer sitzen“, er-
klärt Personalchef Kübel die Vorzüge
des Homeoffice-Modells bei Bosch. Dass
sol­che Kulturveränderungen lange dau-
ern, weiß Arbeitsdirektor Rübling. „Ich
meine, dass die Mitarbeiter einen festen
Lebensplan im Kopf haben, je älter desto
fester.“ Für Ver­änderungen des Arbeits-
zeitmodells bräuchten die Beschäftigten
eben – Zeit.
Arbeitgeber das (deutsche) Arbeitsrecht
irgendwie mit unter den Hut bringen.
Und genau an dieser Stelle gerät im Pra-
xistest die reine Theorie oft ins Wanken.
So kann in Deutschland zum Beispiel
der gesetzlich vorgeschriebene Mindest-
urlaub innerhalb eines Jahres die reine
Form des Modells beschränken. Auch
tägliche Höchstarbeitszeit, Ruhepausen
oder Nachtarbeit stellen Hürden dar.
Welche Rolle Arbeitszeit- und Nachweis-
gesetz spielen und welche Grenzen sie
für eine größtmögliche zeitliche Souve-
ränität vorgeben, lesen Sie ebenfalls in
zwei Beiträgen der Titelstrecke.
Gesetzgeber setzt auf Zeitstunde
Zudem will das neue Mindestlohngesetz
nicht dazu passen, dass sich Unterneh-
men mehr auf Ergebnisse fokussieren.
Schließlich sollen Arbeitgeber min-
destens 8,50 Euro bezahlen – richtig,
pro Stunde. Bekannte Instrumente wie
Akkord- oder Stücklohn bleiben zwar
bestehen. Zumindest bis zur Höhe des
Mindestlohns muss sich die Leistung
zur besseren Vergleichbarkeit jedoch
auch in einem Stundenlohn abbilden
lassen. Selbst wenn in Unternehmen die
Mitarbeiter nicht vom Mindestlohn be-
troffen sind: Der Trend ist klar, in Geset-
zen bleibt wohl zunächst die Zeitstunde
der Maßstab.
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In der Personalmagazin-App sehen Sie,
welche Erfahrungen Führungskräfte bei
Bosch mit flexiblen Arbeitszeitmodellen
und Homeoffice gesammelt haben.
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