Seite 16 - personalmagazin_2015_03

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TITEL
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ARBEITSZEIT
N
och lange vor dem aktuellen
Tarifkonflikt in der Metall-
branche verkündete IG-Me-
tall-Chef Detlef Wetzel im
Mai 2014: „Arbeitszeit wird ein Mega-
thema der nächsten Jahre.“ Der obers-
te Metall-Gewerkschafter stützte seine
These im Interview mit dem Tagesspie-
gel auf eine breite Mitgliederbasis, die
bei einer Umfrage den Wunsch nach grö-
ßerer Zeitsouveränität äußerte. Grund-
sätzlich klafft in diesem Punkt zwischen
Gewerkschaft und vielen Arbeitgebern
keine große Lücke. Zwar gehen die kon-
kreten Positionen und Konzepte der Ta-
rifpartner teils weit auseinander, wie die
aktuelle Diskussion zur Bildungsteilzeit
zeigt. Das prinzipielle Interesse jedoch
scheint ähnlich.
Denn auch Arbeitgebern bleiben die
Anliegen der Mitarbeiter natürlich nicht
verborgen. So ergab eine Umfrage von
Robert Half, dass flexible Arbeitszeitmo-
delle inzwischen in etwa 70 Prozent der
deutschen Unternehmen zum Standard
gehören. Damit zählten die deutschen
Unternehmen europaweit zur Spitze.
Zufrieden, motiviert, glücklich
Von glücklichen Mitarbeitern und Be-
werbern profitieren die Unternehmen
gerade in der heutigen Zeit. „Wir sind
überzeugt, dass unsere Beschäftigten
durch flexiblere Arbeitsmodelle zufrie-
dener und damit kreativer sind“, sagte
denn auch Christoph Kübel, Personal-
chef bei Bosch, im Interview mit dem
Handelsblatt. Auch Dr. Gerhard Rübling
Von
Michael Miller
(Red.)
ist mit der Wahlarbeitszeit bei Trumpf
zufrieden, „vor allem, weil es am Bewer-
bermarkt für Aufmerksamkeit gesorgt
hat.“ Daneben binde es die vorhande-
nen Mitarbeiter stärker an das Unter-
nehmen, ergänzt der Arbeitsdirektor
bei Trumpf. Sein Fazit nach drei Jahren
fällt positiv aus (das Interview lesen Sie
auf den folgenden Seiten). Bereits vor
der Einführung hat das Modell aufhor-
chen lassen. Das Personalmagazin hat
es in Ausabe 10/2011 ausführlich vor-
gestellt.
Ergebnisse als neue Währung?
Arbeitgeber wie Arbeitnehmer fin­den
sie also gut, die zunehmende Zeitsou-
veränität der Mitarbeiter. Nur, wel­cher
Umfang ist sinnvoll, effizient, pro­fitabel?
Denn nur bei der richtigen Mischung
sind einerseits Mitarbeiter motiviert
und kreativ sowie andererseits Unter-
nehmen zufrieden. Modelle zu größerer
Zeitsouveränität gibt es einige, wie je-
nes der Arbeitszeitfreiheit, das wir auf
den folgenden Seiten genauer vorstel-
len. Bei Rowe („Results Only Work En-
vironment“) sind Ergebnisse die Wäh-
rung, nicht mehr die Zeitstunden.
Es gibt noch radikalere, teils auch
skurril anmutende Vorschläge, wie zum
Beispiel „The Four Hour Work Week“,
über die Timothy Ferris in seinem Buch
sinniert. Oder die Urlaubspraxis bei Net-
flix beziehungsweise der Virgin-Gruppe:
Dort können die Beschäftigten völlig au-
tark und ohne Abstimmung mit demVor-
gesetzten darüber entscheiden, ob, wann
oder wie lange sie ausspannen – aber
nur solange die Ergebnisse stimmen und
Völlig losgelöst?
ÜBERBLICK.
Mehr zeitliche Freiheit für Beschäftigte ist schnell gefordert. Arbeitgeber
bewegen sich aber im Spannungsfeld zwischen Zeitsouveränität und Arbeitskontrolle.
Lange Leine: Wie sehr sollen
und müssen Unternehmen die
Arbeitszeiten der Mitarbeiter
noch im Griff behalten?
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personalmagazin 03 / 15