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Recht
_Kündigungsprozess
personalmagazin 02 / 14
W
ird am Ende eines Kündi-
gungsschutzverfahrens
oder einer Entfristungs-
klage festgestellt, dass die
Kündigung oder die Befristung unwirk-
samwar, muss der Arbeitgeber den Lohn
nachzahlen, den er in der Annahme
nicht gezahlt hat, das Arbeitsverhältnis
sei wirksam beendet, also den soge-
nannten Annahmeverzugslohn. Für Un-
ternehmen stellt sich daher regelmäßig
die Frage, wie dieses Risiko minimiert
werden kann. Ein häufig empfohlenes
Mittel dafür ist die sogenannte Prozess-
beschäftigung.
Zwei Konstellationen möglich
Die Prozessbeschäftigung ist entweder
als gerichtlich erzwungene Prozessbe-
schäftigung, um die Zwangsvollstre-
ckung aus einem erstinstanzlichen Wei-
terbeschäftigungsurteil zu vermeiden,
oder aufgrund der Vereinbarung einer
vorläufigen Weiterbeschäftigung denk-
bar. Welche Variante vorliegt, ist durch
Auslegung zu ermitteln.
Erfolgt die Prozessbeschäftigung le-
diglich zur Abwendung der Zwangsvoll-
streckung, liegt kein Vertragsverhältnis
vor (BAG, Urteil vom 24.9.2003, Az. 5
AZR 500/02). Wird dem Arbeitnehmer
dagegen aus der Sicht eines objektiven
Dritten in der Position des Arbeitneh-
mers (sogenannter Empfängerhorizont)
ein Arbeitsvertrag, längstens befristet
bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Entfristungs- oder Kündigungsrechts-
streits, angeboten, ist das ein Indiz für ein
Von
Patrick Mückl
vertragliches Prozessarbeitsverhältnis.
Erst recht ist von einem vertraglichen
(freiwilligen) Prozessarbeitsverhältnis
auszugehen, wenn die Weiterbeschäf-
tigung nach einem klageabweisenden
erstinstanzlichen Urteil erfolgt.
Die Abgrenzung zwischen faktischer
Prozessbeschäftigung und vertraglichem
(freiwilligem) Prozessarbeitsverhältnis ist
vor allemwichtig, weil das Prozessarbeits-
verhältnis wirksam befristet oder bedingt
werden muss, damit es nicht über das
Ende des Kündigungsschutz- oder Entfri-
stungsprozesses hinaus andauert. Sonst
wäre der mit der Kündigung oder Befri-
stung erzielte Erfolg dahin. Für die Wirk-
samkeit der erforderlichen Befris­tung
oder Bedingung ist das Teilzeit- und Be-
fristungsgesetz (TzBfG) maßgeblich. Von
der Formulierung des Beschäftigungs­
angebots hängt ab, ob die Beschäftigung
befristet (§ 14 TzBfG) oder auflösend
bedingt (§ 21 TzBfG) erfolgen soll (BAG,
Urteil vom 19.1.2005, Az. 7 AZR 113/04).
Angebot muss zumutbar sein
Das freiwillige Prozessarbeitsverhältnis
hat den Zweck, das Risiko eines Annah-
meverzugslohns zu minimieren, und be-
ruht auf folgendem Hintergrund: Nach
§ 615 Satz 2 BGB verliert der Arbeit-
nehmer seinen Anspuch auf Annahme-
verzugslohn, wenn er ein zumutbares
vertragliches Angebot zur Weiterbe-
schäftigung nicht annimmt. Die Ableh-
nung dieses Angebots ist dann ein bös-
williges Unterlassen im Sinne des § 615
Satz 2, Alternative 3 BGB.
Die Zumutbarkeit des Weiterbeschäf-
tigungsangebots hängt in der betrieb-
lichen Praxis vom Kündigungsgrund
und den Umständen des Einzelfalls ab:
• Bei einer personen- oder betriebs-
bedingten Kündigung ist dem Arbeit-
nehmer eine Weiterbeschäftigung re-
gelmäßig zumutbar (BAG, Urteil vom
14.11.1985, Az. 2 AZR 98/84).
• Bei einer (ordentlichen) verhaltens-
bedingten Kündigung ist eine Interes-
senabwägung vorzunehmen: Macht der
Arbeitnehmer selbst einen Weiterbe-
schäftigungsanspruch geltend, ist ihm
ein Prozessarbeitsverhältnis regelmäßig
zumutbar. Allerdings können das Anse-
hen des Arbeitnehmers oder schwere
Vorwürfe – insbesondere bei einer au-
ßerordentlichen Kündigung – dazu füh-
ren, dass eine Weiterbeschäftigung im
Einzelfall unzumutbar ist (BAG, Urteil
vom 24.9.2003, Az. 5 AZR 500/02).
Kündigungsbegründung beachten
Unternehmen müssen bei der Entschei-
dung für eine Prozessbeschäftigung
im Übrigen stets beachten, dass eine
Prozessbeschäftigung eine Weiterbe-
schäftigungsmöglichkeit und deren
Zumutbarkeit suggeriert. Das kann es
bei betriebsbedingten Kündigungen
Vorsicht vor Bumerang-Fällen
Gestaltung.
Werden die Prozessarbeitsverhältnisse bei Kündigungen nicht richtig
vereinbart, kann Arbeitgebern sogar die Wiedereinstellung der Mitarbeiter drohen.
Praxisbeispiele
Entgeltfortzahlung bei
Annahmeverzug (HI3456551)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE