Seite 15 - personalmagazin_2014_02

Basic HTML-Version

15
02 / 14 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bit te an
suchten Personen in Hamburg besteht,
die offenen Stellen aber in München
sind. Er kann qualifikatorisch sein. Ge-
rade in der IT kann für den Arbeitgeber
ein fehlendes Einzelzertifikat für eine
bestimmte Programmiersprache ent-
scheidend sein. In solchen Fällen kön-
nen wir mit unseren Qualifizierungen
weiterhelfen. Andererseits kann der
Mismatch darin begründet sein, dass in
der Statistik Personen enthalten sind,
bei denen andere Probleme vorliegen,
die einer Arbeitsaufnahme im Weg ste-
hen. Wir gehen all diesen Fällen indivi-
duell nach. Wenn wir dann feststellen,
dass ein fachliches Defizit im Weg steht,
so wird das relativ schnell erkannt und
entsprechend geschult – auch zum Bei-
spiel über den Eingliederungszuschuss,
den wir Arbeitgebern gewähren.
personalmagazin:
Kann es sein, dass
Unternehmen durchaus qualifizierte
IT-Mitarbieter finden würden, wenn sie
bereit wären, sie besser zu bezahlen?
Becker:
Das lässt sich nicht ausschließen.
Bei den IT-Kräften werden Angebot und
Nachfrage durchaus auch durch den
Preis bestimmt. Auch wir haben uns
zeitweise schwergetan, IT-Fachkräfte
zu finden. Das lag am Preis, weil wir als
öffentlicher Dienst nicht die Gehälter
zahlen können, die andere Organisati-
onen bieten. Bei hoch spezialisierten
Kräften spielt Geld sicherlich eine Rolle
und entscheidet, ob ein Unternehmen
einen Mitarbeiter bekommt oder nicht.
Wir stellen aber auch fest, dass viele
IT-Spezialisten sagen: „Geld ist nicht
alles.“ Deshalb finden wir selbst relativ
oft gute Leute, weil diese es leid sind,
permanent den Arbeitsort zu wechseln.
Hier geht es um Themen wie Work-Life-
Balance und die Vereinbarkeit von Fa-
milie und Beruf. Arbeitgeberleistungen,
wie etwa flexible Arbeitszeiten, Homeof-
fice-Möglichkeiten und Stabilität des Ar-
beitsverhältnisses, werden an Relevanz
weiter zunehmen.
Das Interview führte
Daniela Furkel.
Ausland, die ins deutsche Beschäfti-
gungssystem kommen. So betrug der
Zuwachs an Beschäftigung im Jahr 2012
etwa 350.000 Personen, von denen ka-
men etwa 150.000 aus dem Ausland.
Das ist ein bedeutender Anteil, den es
in den Vorjahren nicht so gab. Diese
Personen kommen vor allem aus der
EU. Aus Drittländern außerhalb der EU
gibt es keine großen Fallzahlen. Auch
sind noch keine signifikanten Fall-
zahlen über die Blue Card EU bekannt.
Allerdings wissen wir, dass mit der Blue
Card vor allem Ingenieure und IT-Inge-
nieure nach Deutschland kommen. Aber
das sind bislang nicht mehr als einige
tausend Personen.
personalmagazin:
Manche Unternehmen re-
agieren auf die IT-Arbeitsmarktsituation
auch, indem sie Tätigkeiten ins Ausland
verlagern. Besteht die Gefahr, dass wir
Arbeitsplätze ans Ausland verlieren?
Becker:
Der IT-Bereich ist heute schon
sehr global aufgestellt. Es gibt sicherlich
viele Unternehmen, die Programmier-
leistungen in Teilen oder vollständig
im Ausland umsetzen lassen. Aber die
Kernwertschöpfung bleibt in Deutsch-
land. Für das Entwickeln eines Produkts
oder eines Systems brauchen die Unter-
nehmen jemanden, der den Kontakt von
der IT zu den Fachabteilungen herstellt.
Diese Kernfunktionen im IT-Bereich
werden vor Ort hier in Deutschland ge-
braucht.
personalmagazin:
Neue Berufsbilder wie
„Data Scientist“ entstehen. Wie kann
man in Deutschland die Qualifizierung
in neuen Berufsbildern beschleunigen?
Becker:
Berufsbilder entstehen nicht wie
eine Explosion, sondern sie entwickeln
sich. Das merken wir auch bei den du-
alen Berufen: Früher gab es zumBeispiel
den Beruf „Kfz-Mechaniker“, dann kam
viel Elektronik dazu und das Berufsbild
passte sich an, was sich schließlich auch
in der Namensänderung in „Kfz-Mecha-
troniker“ äußerte. Ihr Beispiel des „Data
Scientist“ ist im Prinzip eine Weiterent-
wicklung des bestehenden Berufs des
Data-Warehouse-Analysten. Sukzessive
werden sich die Berufsbilder und die
Bachelor-Studiengänge anpassen, bis
irgendwann ein eigenes Berufsbild
oder ein eigener Studiengang entsteht.
Aber der Data Scientist wird vielleicht
60 Prozent des Curriculums vom Data-
Warehouse-Analysten beinhalten. Im
Gegensatz zu den USA, wo kein forma-
lisiertes Berufssystem existiert, basiert
das deutsche Bildungssystem auf Hoch-
schulabschlüssen und Kammer-Zertifi-
katen, deshalb passen sich die Berufe
eher allmählich an. Die angemessene
Geschwindigkeit ergibt sich aus dem
Systemzusammenhang. Letztlich sollten
wir uns aber auch fragen, warum etwa
50 Prozent der IT-Studierenden das Stu-
dium abbrechen.
personalmagazin:
Einerseits sagen viele
Unternehmen, sie finden keine IT-Fach-
kräfte, andererseits waren im November
2013 im Bereich „Informatik- und an-
dere ITK-Berufe“ über 26.000 Personen
arbeitssuchend gemeldet – sogar rund
2.000 mehr als im November 2013. Liegt
da ein Qualifizierungsmismatch vor?
Becker:
Da treffen mehrere Aspekte zu-
sammen. Der Mismatch kann regional
bedingt sein, indem das Angebot an ge-
Raimund Becker
ist seit 2004 Mitglied
des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit.
Der Jurist übt gleichzeitig das Amt des Zen­
tralbereichsleiters Personal aus.
© Bundesagentur für Arbeit